Von Sven Neudeck
Wir befinden uns jetzt schon drei Wochen mit dem Stipendiatenprogramm der Auricher Wissenschaftstage auf einer Lehrgrabung in Nienover im Solling. Hier werden uns alle Techniken einer archäologischen Ausgrabung beigebracht. Gegraben wird in den Überresten der Stadt Nienover, die ca. 1180 gegründet wurde und nur etwa drei Generationen bestand. Außerdem wird fünf Kilometer entfernt mitten im Wald neben der Kirche Winnefeld ein mittelalterlicher Friedhof ausgegraben. Letzte Woche wurden die ersten Skelette freigelegt. Insgesamt sind es schon acht, einige sind auf Namen wie Winni, Sigi, Horst-Albrecht , Jean-Luc, Seven-of-nine und Nr. 5 getauft.
Schädel in situ, d. h in der Lage, wie er gefunden wurde, noch vor der Bergung.
Vielleicht durch den Einsatz der Spitzhacke etwas mehr zerstört,
als er eigentlich war. Gefunden in Winnefeld
Wir graben hauptsächlich auf dem Gelände der zerstörten mittelalterlichen Stadt, das genau vor dem Schloss Nienover liegt. In diesem ehemaligen Jagdschloss sind alle Teilnehmer der Lehrgrabung untergebracht. Die meisten sind Studenten der Universität Göttingen, aber es sind auch Studenten aus dem Ausland da. Wenn wir uns nicht gerade in dem Keller verirren, die Geheimnisse des großen Gebäudes erkunden, uns am Lager- oder Kaminfeuer in angenehmer Atmosphäre entspannen oder im Fischteich schwimmen, sind wir auf der Grabungsfläche zu finden. Unser Arbeitstag beginnt um halb sieben und endet gegen vier Uhr. Am interessantesten ist es natürlich, wenn wir Funde, z. B. Scherben, Eisen und Knochen, und Befunde, z. B. Pfostenlöcher, Keller und Zisternen, entdecken. Von den Häusern sind hauptsächlich die Kellerfundamente erhalten, die unter dem Pflughorizont darauf warten von uns entdeckt zu werden.
Übersicht über unsere Fläche, Kellerfundament
eines relativ großen Hauses.
Die Fläche ist in 1 m2 große Quadrate unterteilt (Flatterband).
Mit Hilfe von geophysikalischen Untersuchungen werden mögliche Fundstellen geortet. Aus den Befunden geht hervor, dass die Stadt zweimal niedergebrannt worden ist. Die zweite Zerstörung im 13. Jahrhundert führte zur völligen Aufgabe der Stadt. Darauf deuten die gefundenen Holzkohlestücke, der gebrannte Lehm und Armbrustbolzen hin. Zu unseren täglichen Aufgaben gehört das Vermessen, Fotografieren, Zeichnen, Bergen und Ausheben der Funde und Befunde. Außerdem lernen wir selbstständig verschiedene Messgeräte z. B. das Nivelliergerät, das Tachymeter und den Theodolithen zu bedienen. Am Ende werden wir alle eine Bescheinigung erhalten, die es uns erlaubt auch an anderen Grabungen teilzunehmen. Unseren Aufenthalt dokumentieren wir mit der Video- und Digitalkamera, um im November im Rahmen der Vortragsreihe der Wissenschaftstage und in einer Ausstellung davon zu berichten. Das Leben im Schloss zusammen mit den Studenten, der Grabungsalltag, sowie die gesamte Atmosphäre bestärkt den Wunsch, länger zu bleiben und auf jeden Fall wieder kommen zu wollen.