Der „Kindergärtner" der Polarstern
Das Zimmer, in dem wir den Fahrtleiter der Expedition Professor Dieter Fütterer treffen, scheint auf den ersten Blick riesig im Vergleich zu den anderen Kabinen an Bord. „ Die Biologen haben unten viel mehr Labore“, erwidert er lachend als er unseren Gesichtsausdruck sieht. Sein Arbeitszimmer im B-Deck sei schließlich so etwas wie sein Labor, von dem aus er die Expedition mit der Bezeichnung ANT/IX/3 koordiniert.
Prof. Fütterer bei der Arbeit
Doch dies ist keineswegs ein Novum für den Abteilungsleiter der geowissenschaftlichen Abteilung am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, an deren Aufbau er entscheidend beteiligt war.
Nach einem klassischen Studium der Geologie, war Dieter Fütterer, der 1968 an der Universität Göttingen promoviert wurde, zunächst in Kiel am Geologischen Institut tätig, bevor er im November 1982 zum gerade gegründeten AWI kam. Hier beschäftigte er sich damit, eine geologische Arbeitsgruppe aufzubauen, die sich mit der Rekonstruktion der geologischen Vergangenheit anhand von Sedimentproben beschäftigte. Hatte er sich bisher mit der Adria, der Feinfraktion mariner Sedimente im Nordatlantik und später am Walfischrücken im Südatlantik beschäftigt, rückten nun die polaren Gebiete der Erde in den Mittelpunkt seiner Arbeit.
Bald nach Aufnahme seiner Tätigkeit am AWI machte Fütterer dann Bekanntschaft mit dem neu gebauten Forschungsschiff des Instituts, das im Jahr 1982 offiziell in Betrieb genommen wurde – der „Polarstern“. Jene wissenschaftliche Probefahrt, an der Fütterer schließlich teilnahm, war aber keineswegs das erste Mal, dass er die „Polarstern“ erblickte:
„Das erste Mal sah ich die 'Polarstern' Ende 1981, als meine Familie und ich noch in Kiel wohnten und die Stelle am AWI noch nichts weiter als eine Option war.“
Was Professor Dieter Fütterer damals sah, glich aber noch keinesfalls jenem Forschungsschiff in dessen Bauch wir jetzt, mehr als 20 Jahre später sitzen. „Sie schien ein einziger Rostkasten“, beschreibt Fütterer rückblickend, seine Gedanken beim Anblick des Rohbaues. Dass dieser „Rostkasten" ihn später auf zahlreiche Expeditionen ins ewige Eis führen würde, damit hatte er im Traum nicht gerechnet.
Die Jungfernfahrt, auf der sich übrigens auch ein Mitglied der jetzigen Mannschaft befand, begann am 22.1.1983 von Kapstadt aus. Das Ziel: Die Antarktis.
Hatte Fütterer noch im Jahr zuvor an einer wissenschaftlich-politischen Konferenz in der Antarktis teilgenommen, war dies das erste Mal, dass er den Weg dorthin zu Schiff antrat.
„Als wir damals die ersten Eisberge erblickten, waren wir völlig aus dem Häuschen“, erinnert sich Fütterer.“Wir machten ein Foto nach dem anderen“, fährt er fort. Weggeworfen habe er kein einziges, denn „das Eis erscheint auf Grund des Lichtes in immer neuen Facetten" und sei einfach faszinierend.
Auch nach zehn oder zwölf Expeditionen in die antarktischen und arktischen Gebiete dieser Erde hat die Anziehungskraft, die das Eis auf Dieter Fütterer ausübt, keineswegs an ihrer Stärke verloren.
Die Aufbauarbeit der Geo-Abteilung am AWI trug ihre Früchte: Die Gruppe wuchs stetig weiter an. „Heute beschäftigen sich etwa 160 Mitarbeiter am AWI mit den Geowissenschaften“, schätzt Fütterer.
Der enorme Anstieg dieser Zahl hatte schließlich zur Folge, dass der Geologe immer mehr Zeit am Schreibtisch und weniger Zeit hinter dem Mikroskop verbrachte. „Es juckt immer noch in den Fingern, wenn ich die Wissenschaftler auf dem Arbeitsdeck herumwerkeln sehe“, gesteht er freimütig ein, wie sehr er die praktische Arbeit vermisst. „Doch erfolgreiche Wissenschaft braucht optimale Rahmenbedingungen und die versuche ich durch meine Arbeit zu schaffen“, weiß Fütterer um die Wichtigkeit seiner Arbeit.
„Manchmal“, schmunzelt er, „ ist die Tätigkeit des Expeditionsleiters an Bord der „Polarstern“ , wie die einer Kindergärtnerin. Ich muss die Wünsche aller Wissenschaftler nach möglichst viel Schiffszeit koordinieren und dafür sorgen, dass sie sich nicht in die Wolle kriegen, was bei so viel Forschungsehrgeiz an Bord manchmal gar nicht so einfach ist.“ Der Job des „Kindergärtners" muss ab dem kommenden Jahr allerdings neu besetzt werden. Denn Dieter Fütterer kehrt dann nach mehr als zwanzig Jahren der „Polarstern“ den Rücken zu. „Meine Familie wird sich freuen, mich nicht jedes Jahr aufs Neue in Richtung Nord- oder Südpol abdriften zu sehen“, lacht Fütterer. Dennoch wird wohl mindestens ein Auge weinend Abschied nehmen, von dem Forschungsschiff, das wir bereits nach wenigen Wochen ins Herz geschlossen haben.
„Warum sehen Eisfische eigentlich weiß aus?“
Diese Frage wurde Katharina heute von ihrer kleinen Schwester Elisabeth gestellt. Seit sie Katharina mit einem der faszinierenden Lebewesen aus der Antarktis auf einem Foto gesehen hatte, wollte sie Näheres über die Fische erfahren. Katharina konnte Elisabeths Interesse nachvollziehen, denn als sie das erste Mal an Bord der Polarstern einen Eisfisch gesehen hatte, stand fest, dass sie während der fünf Wochen auf dem Eisbrecher mit der Fischereigruppe zusammenarbeiten würde. Die Wissenschaftler erzählten ihr bei der Arbeit alles, was sie über die sogenannten Weißblutfische wissen wollte. Die antarktischen Gewässer, welche durch eine Wassermassengrenze vom Zustrom warmen Wassers von Norden weitgehend abgeschnitten sind, stellen den Lebensraum der Eisfische dar. In dieser Region sind die Weißblutfische mit acht Gattungen und fünfzehn verschiedenen Arten vertreten. Die Eisfische stellen das anschaulichste Beispiel dar, sich an diese extremen Lebensbedingungen anzupassen. Am auffälligsten, und um an dieser Stelle auch auf Elisabeths Frage zurück zu kommen, ist das weiße Blut der Eisfische. Ihnen fehlt das Hämoglobin, also die roten, sauerstofftransportierenden Blutkörperchen. Auf Grund des Fehlens der sogenannten Eryothrozyten wird der Sauerstoff physikalisch im Blutplasma gebunden.
Katharina mit Eisfisch
Daher macht die Sauerstoffkapazität auch nur etwa zehn Prozent derjenigen vergleichbarer antarktischer Fischarten mit „rotem Blut" aus, obwohl der Sauerstoffverbrauch der Weißblutfische nahezu identisch mit denen anderer Fische ist.
Eisfischschmuck zum Geburtstag
Deutlich wird jedoch, dass der Innendurchmesser der Blutgefäße, das Blutvolumen und das Herz stark vergrößert sind. Ebenfalls ist zu erkennen, dass sich die Zähflüssigkeit des Blutes verringert hat. Aufgrund dieser Faktoren und des erheblich höheren Druckes vom Blut zum Gewebe, erreichen die Eisfische eine eindeutig größere Diffusionsgeschwindigkeit, wodurch das Gewebe erheblich schneller mit Sauerstoff versorgt wird. Des weiteren wird angenommen, dass Eisfische die Möglichkeit haben, durch ihre sehr dünne, gefäßreiche Haut atmen zu können. Trotzdem liegt die im Kreislauf transportierte Sauerstoffmenge immer noch um das 2,5-4fache unter dem anderer antarktischer Arten. Daher beanspruchen die Eisfische allein in Ruhe 63 Prozent ihrer Sauerstoffkapazität. Generell liegen diese Werte wesentlich niedriger, bei ungefähr 20 bis 25 Prozent.
An dieser Stelle musste Katharina unfreiwillig gestoppt werden. Um ihre kleine Schwester nicht mit zu vielen Informationen über Eisfische abzuschrecken, überredeten sie Markus, Mareike und Fadi eine kurze Pause einzulegen, um mit ihnen zu essen. Auf dem Menüplan wurde Eisfisch mit Kartoffeln und Dillsauce angekündigt. Abschließend kann man über Weißblutfische nämlich auch noch sagen, dass diese eine echte Delikatesse sind, die sich keiner der Schüler entgehen lassen wollte.