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Auricher Wissenschaftstage –
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Berichte von der „Polarstern“ (Tag 4 und 5)

TAG 4

Beginn der Forschung

Ein lautes Klirren riss Katharina um vier Uhr morgens unsanft aus ihren Träumen. Ein Wasserglas hatte sich selbstständig gemacht und wurde so zu ihrem Wecker, in dem es über den Nachttisch rutschte und auf den Boden fiel. Im Laufe des ganzen Tages hatte sich der Seegang stetig verstärkt, so dass jeder nicht befestigte Gegenstand auf dem Eisbrecher unkontrolliert in alle Himmelsrichtungen befördert wurde. Diese Tatsache wurde Katharina jetzt schmerzlich bewusst. Noch im Halbschlaf stand sie auf und bemerkte, dass das Glas glücklicherweise nicht voll gewesen war. Scherben gab es auch keine, da alle Kabinen mit Teppichboden ausgestattet sind und der Nachttisch nicht sehr hoch ist.

Foto von Katharina, 21 k

Katharina mit einer Tiefseekoralle

Ein Blick nach links verriet ihr, dass Mareike bereits am Arbeiten sein musste. Ihr Bett war leer und sowohl ihre Arbeitshose als auch die gelben Thermostiefel befanden sich nicht mehr im Kleiderschrank. Um halb drei in der Frühe war sie von Frau Prof. Brandt, der biologischen Leiterin unseres Fahrabschnittes ANT XIX/3, geweckt worden, damit sie dabei sein konnte, wenn die Tiefseekamera „SPI" aus dem Wasser geholt wurde. Mit Hilfe der Kamera wurden Aufnahmen von dem Meeresboden in über 2.000 Meter Tiefe gemacht, um einen ersten Eindruck von der Unterwasserwelt zu erhalten.

Mareike assistierte in diesen frühen Morgenstunden ihrem Projektleiter Robert Diaz. Zuerst half sie, die mit Schlamm bedeckte Kamera zu säubern, so dass keine Gefahr bestand, dass die anschließend entnommenen Filme verschmutzt werden konnten. Außerdem hatte sie die Möglichkeit, die Entwicklerflüssigkeit aus verschiedenen Chemikalien unter Anleitung herzustellen, die Filme zu entwickeln und daraufhin die einzelnen Bilder zu zertrennen. Im Laufe des Vormittags wurden die Fotos eingescannt und die Videoaufnahmen ausgewertet. Mit Hilfe der Unterwasseraufnahmen versucht man die Beschaffenheit des Bodens zu analysieren, um gegebenenfalls später Rückschlüsse auf die Population verschiedener Organismen ziehen zu können.

Foto von Mareike, 18 k

Mareike entwickelt die Bilder der Unterwasserkamera

Das so früh am Morgen herunter gefallene Glas erwies Katharina im Nachhinein einen großen Gefallen. Denn auch für sie und Markus sollte der Tag früher beginnen, als die vorangegangenen. Sie wollten einem der Bordmeteorologen, Klaus Buldt vom Deutschen Wetterdienst Hamburg, dabei zusehen, wie er den Wetterballon steigen ließ.

Doch Markus und Katharina hatten Glück. Herr Buldt gestattete den beiden, den Wetterballon selbst einzustellen und vom Deck der Polarstern zu starten. Er erklärte jeden Arbeitschritt sehr ausführlich, so dass die Schüler einen kleinen Einblick in die Meteorologie bekamen. Zuerst wurde die Sonde ausgepackt und die Messfühler kalibriert. Die biologisch abbaubare Batterie wurde sechs Minuten in ein Wasserbad gelegt, um sie zu aktivieren.

Währenddessen wurden der Sonde Wetterdaten, wie z. B. Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Luftdruck und unsere jetzige Position eingegeben. Anschließend wurde der Ballon mit Helium gefüllt und die mit der Batterie versehene Sonde am unteren Ende befestigt. Daraufhin bestimmten Markus und Katharina die Windrichtung und suchten einen geeigneten Platz auf dem Helikopterdeck, um den Wetterballon den Luftströmungen zu übergeben. Bevor der Ballon nach ungefähr zwei Stunden in 34195 Metern Höhe auf Grund des zu hohen Drucks platzte , sendete er uns jede Sekunde die benötigten Wetterdaten.

Im Moment laufen die Vorbereitungen für die Entnahme von Bodenproben. Das ist nicht ganz einfach, da der Meeresgrund hier sehr felsig ist. Ein erster Blick in den Probenbehälter bestätigte dies. Katharina fand im Probenbehälter zwei schneeweiße Tiefseekorallen. Fadi half bei der Untersuchung eines von außen pechschwarzen Steins. Diesen zerschlug er mit einem Hammer. Die nähere Analyse ergab, dass der Stein vom antarktischen Kontinent stammt und offensichtlich mit langsam schmelzenden Eisbergen weit in den Südatlantik hinausgetragen wurde.

TAG 5

Der Countdown bis zur Sichtung des ersten Eisberges läuft

Was sich schon beim Frühstück andeutete, wurde beim Wissenschaftler -Treffen bestätigt: Die Stimmung an Bord ist leicht angespannt. Grund dafür ist die bisher recht spärliche Erfolgsquote bei den bisherigen zwei Stationen in Bezug auf die Entnahme von Bodenproben. Anstatt von verwertbaren Sedimentproben zogen die enormen Schleppnetze hauptsächlich relativ nutzlose Steinchen und Brocken an Bord. Grund für die nicht zufriedenstellende Ausbeute an Tiefseeorganismen ist die für antarktische Gebiete relativ geringe Tiefe von nur 2.000 Meter.

Foto von den Arbeiten, 31 k

Fadi, Mareike, Katharina und Markus untersuchen Bodenproben im Kastengreifer

Während der Besprechung betonten die Wissenschaftler, dass sie sich der Schwierigkeiten in diesen Zonen von Anfang an bewusst gewesen wären. Da eine starke Strömung weichere Bodenpartikel in die tieferen Gebiete spült, bleiben auf den Erhöhungen meist lediglich harte Gesteinsbrocken zurück, zum Beispiel die von den Eisbergen aus der Antarktis herantransportierten Gesteine. Da es jedoch, auf Grund der genannten Probleme, bisher nur unzureichende Bodenuntersuchungen in derart geringer Wassertiefe gab, wollten die Wissenschaftler des Andeep-Projektes auf jeden Fall einen Versuch starten.

Obwohl die Bildschirme der Computer auf der Brücke weiterhin fieberhaft nach einem geeigneten „Sample-Spot" zur Probenentnahme abgesucht werden, macht sich auch der Fahrtleiter Professor Dr. Dieter Fütterer kaum Hoffnung auf eine weitere Probenentnahme in der näheren flachen Umgebung.

Stattdessen wird die Polarstern dann später den Kurs wechseln und die Shackelton Fracture verlassen. Gegen Morgen werden dann wieder alle nötigen Geräte, darunter auch die Tiefsee-Kamera mit der Mareike zu tun hat, auf den Meeresboden heruntergelassen, diesmal in eine voraussichtliche Tiefe von 3500 Metern. Das bedeutet für sie eine weitere Nacht auf dem Arbeitsdeck und im Fotolabor, während der sie hoffentlich nicht erneut dem nachts meist stärkeren Wellengang zum Opfer fällt.

Foto von Fadi mit Ballon, 17 k

Fadi, der Wetterfrosch

Da die Fischerei bisher nicht angelaufen ist, verlaufen die Tage für Katharina, Markus und Fadi in wissenschaftlicher Hinsicht noch relativ unspektakulär. Wäre da nicht die Tatsache, dass Alltag auf einem derart beeindruckenden Forschungsschiff wie der Polarstern schon spektakulär genug ist. Statt mit dem Aufschneiden von Eisfischen und Tintenfischen steht im Moment noch Mathematikunterricht und das Vorbereiten der Facharbeit auf dem Stundenplan. Doch sobald das Gebiet um Elephant Island erreicht sein wird, werden die Schulbücher wohl unbeachtet in der Ecke liegen. Zu früher Stunde fand bereits Fadis Ereignis des Tages statt: Wie am Tag zuvor Markus und Katharina, ließ Fadi am heutigen Morgen den Wetterballon mit Meßsonde steigen.

Mareike beschäftigt sich heute hauptsächlich mit dem Einscannen der zahlreichen, erstaunlich scharfen Fotos, die die Tiefsee-Kamera in den vorrangegangenen Tagen und Nächten aufgenommen hat. Immer wieder unterbrochen wird sie dabei von allerlei Wissenschaftlern die im Vorbeigehen „nur einen kurzen Blick" in die Fotodatei werfen wollen, um dann völlig überwältigt von dem Anblick sogleich in die Analyse einzusteigen. Da hilft dann nur ein vorsichtiger Hinweis darauf, dass man noch „soo viel zu tun" habe.

Alles in allem haben wir uns gut eingelebt und die Zeiten, in denen wir mit leicht verwirrtem Blick auf der Suche nach einem bestimmten Raum durch die Gänge und übrigens sehr steilen Treppenhäuser irrten, gehören wohl auch endgültig der Vergangenheit an. Dennoch müssen wir uns gelegentlich in den Arm kneifen um uns zu vergewissern, dass wir uns tatsächlich auf dem Weg in die Antarktis befinden. Der Countdown bis zur Sichtung des ersten Eisberges läuft auf Hochtouren.

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