Am 19. November 2002 haben Schülerinnen und Schüler der BBS II AURICH und des Gymnasium Ulricianum aus Aurich den Nobelpreisträger Jack Steinberger im Rahmen der Auricher Wissenschaftstage interviewt.
Gruppenfoto mit Professor Steinberger
Professor Jack Steinberger wurde 1921 in Bad Kissingen geboren. Aufgrund der in Deutschland in den dreißiger Jahren immer angespannter werdenden Situation für Juden emigrierte er 1934 zunächst ohne seine Eltern, aber mit seinem Bruder in die USA. Dort studierte er nach einigen Umwegen Physik u. a. bei Enrico Fermi und beschäftigt sich seither intensiv mit Neutrinos. Am Brookhaven National Laboratory führte er zusammen mit zwei weiteren Physikern ein Experiment durch, mit dem sie zeigen konnten, dass es unterschiedliche Arten von Neutrinos gab. Für dieses Experiment erhielten die drei Forscher 1988 den Nobelpreis für Physik. Seit 1968 arbeitet Steinberger nach wie vor begeistert am europäischen Forschungszentrum für Teilchenphysik, CERN, bei Genf. Trotz seiner inzwischen 81 Jahre fährt er häufig die 20 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz mit dem Fahrrad und beschäftigt sich dort mit Fragen der Astrophysik.
Am Interview waren beteiligt: Lars Berndzen (Gymnasium Ulricianum), Alexander Börries (BBS II AURICH), Garlich Fischbeck (Gymnasium Ulricianum), Tobias Paschvoß (BBS II AURICH), Thomas Pietzuch (BBS II AURICH), Maren Reder (Gymnasium Ulricianum), Sven Wirmann (BBS II AURICH), Wiebke Witte (Gymnasium Ulricianum) und Stephan Zaremba (BBS II AURICH).
Begleitet wurden die Schülerinnen und Schüler von den Lehrkräften Gerd Hinrichs (Gymnasium Ulricianum) und Klaus Schüßler (BBS II AURICH).
Wir haben zunächst ein paar Fragen zu Ihrem schulischen Werdegang. Wenn Sie auf Ihre Schulzeit zurückblicken, was hat Ihnen besonders gut bzw. nicht gut gefallen?
Ich muss immer Glück gehabt haben, es hängt alles mit Glück zusammen, auch in der Schule. Ich weiß nun nicht, an welche Schule Sie denken. Ich ging in Deutschland in Bad Kissingen zur Schule und war ein guter deutscher Nationalist. Mein Vater hat uns beigebracht, sein Leben für das Land zu opfern ohne nachzufragen. In einem solchen Klima bin ich aufgewachsen, bis ich mit 14 fortging. Ich weiß nun nicht, was ich Ihnen noch über meine Erziehung erzählen soll. Ich war speziell interessiert am Basteln und an Sachen, die man mit der Hand macht, vielleicht auch am Zeichnen. Dann kam ich ohne meine Eltern nach Amerika. Ich kam aus einer sehr einfachen Familie aus Deutschland. In Amerika lebten mein Bruder und ich bei einer sehr wohlhabenden Familie. Der Mann hatte 3 Autos mit Chauffeur, z. B. einen Lincoln von 1935. Für meine Ausbildung war es vorteilhaft, dass die High School dort sehr gut war. Ich hatte den Vorteil, auf eine sehr gute Schule gehen zu können.
Wenn Sie das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern von damals mit heute vergleichen, war es damals besser oder schlechter?
Ich kenne das Schulsystem heute natürlich nicht, es ändert sich ja im Laufe der Zeit. Ich weiß nicht, ob Sie eine gute Vorstellung von amerikanischen High Schools haben. In einer Beziehung sind die besser. Dort gehen alle Schüler auf die High School. Hier ist das Gymnasium für Menschen da, die mittels eines Studiums höher kommen wollen als andere. In Amerika ist es einfach dasselbe für jedermann. Vielleicht ist das Niveau in Amerika etwas niedriger, damit alle mitkommen können. Ich glaube jedoch, dass der soziale Vorteil dort diesen Nachteil überwiegt. Ich erinnere mich nicht daran, mich gefragt zu haben, wie das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern ist, sondern ich habe versucht, meinen Kram dort so gut wie möglich zu machen. Ich hatte einen Mathematik- und einen Chemielehrer, mit denen es vielleicht mehr Spaß gemacht hat als mit anderen.
Können Sie sich noch erinnern, welche Fächer zu Ihrer Zeit unterrichtet wurden?
Leider ist mein Gedächtnis, was es ist. Es war noch nie gut, und es ist nicht besser geworden. Die Ärzte sagen mir zwar, dass ich kein Alzheimer habe, aber ich bin mir da nicht so sicher. Wie jedoch bereits erwähnt, hatte ich Chemie, Physik und bestimmt auch andere Fächer wie Kunst und Französisch. Deutsch hat mich dabei nie wirklich interessiert. Literatur war nicht meine Sache. Ich habe nie mehr gelesen, als ich musste.
Sie haben zuerst Chemie studiert. Wann wurde Ihr Interesse an der Physik geweckt?
Wenn ich etwas hätte wählen können, hätte ich Medizin gewählt. Aber dazu hat man Geld gebraucht, und als ich meinen High School-Abschluss bekam, war ich schon wieder bei meinen Eltern und nicht mehr in dem reichen Haushalt, und wir hatten kein Geld. Es wäre nicht möglich gewesen Medizin zu studieren. So wurde mir geraten, etwas zu studieren, womit man schneller Geld verdienen konnte. Das war zu der Zeit der Depression, und es war nicht leicht Arbeit zu finden. So habe ich Chemie studiert, chemical engineering. Das hat zwei Jahre gedauert, und ich habe das Studium ohne Schwierigkeiten machen können, vielleicht weil ich ein guter Student war, aber auch weil ich ein Stipendium bekommen hatte. Nach zwei Jahren konnte das nicht verlängert werden, und ich musste aufhören. Ich hab dann gearbeitet, ich konnte Arbeit finden, musste dafür aber an viele Türen klopfen. An der University of Chicago habe ich ein Jahr lang Abendkurse besucht, und da wurde nur Chemie angeboten. Im darauf folgenden Jahr konnte mir die Universität dann ein Stipendium anbieten. Ich konnte also wieder regulär tagsüber studieren und habe nach einem Jahr den Bachelor gemacht. Das war 1942, da war Amerika schon im Krieg.
Wegen des Krieges brauchte man Leute, die ein bisschen helfen konnten bei der Radartechnik. Die war gerade neu damals, und man hat mir angeboten, ein paar Monate lang Kurse in Physik zu nehmen, um dann in der Armee bei dem Radar zu helfen. Ich habe das Ende 1942 mitmachen können. Und dann habe ich bis zum Ende des Krieges in einem Laboratorium in Cambridge in der Nähe von Boston an diesen Radargeräten gearbeitet, mit deren Hilfe in Deutschland Zivilisten von Flugzeugen aus getötet wurden. Das war meine Kriegsarbeit. Aber nach dem Krieg war es klar für mich, dass ich Physik studieren wollte. So kam ich zur Physik. Dem Hitler muss ich danken, dass ich nach Amerika kam, und dem Krieg dafür, dass ich zur Physik kam.
Professor Steinberger im Gespräch
Deutschland hat in der Pisa Studie schlecht abgeschnitten. Was ist Ihre Meinung darüber, ausgehend von Ihren eigenen Erfahrungen? Welche Kenntnisse müssten Ihrer Meinung nach vermittelt werden?
Auch die Genfer Schulen haben schlecht abgeschnitten. Aber ich habe zwei Kinder, die in den letzten zehn Jahren durch diese Schulen gegangen sind, und ich habe die Schulen absolut großartig gefunden. Also, es ist nicht so leicht wirklich zu wissen, wie gut oder wie schlecht eine Schule ist. Unsere Kultur hat einen gewissen Stand, nicht jeder kann alles verstehen. Auch im Gymnasium kann man den Schülern nicht alles beibringen. Man muss irgendwie ein Durchschnittsniveau finden, das allen nützlich sein kann. In Genf gibt es ein Gymnasium, das drei Zweige anbietet: einen klassischen Zweig mit Latein und Griechisch, einen naturwissenschaftlichen und einen modernen Zweig. Gewöhnlich gehen die Begabtesten in den klassischen Zweig, die Schüler mit mittlerer Begabung in den naturwissenschaftlichen Zweig und die weniger Ehrgeizigen gehen in den modernen Zweig. Ich bin nicht der Meinung, dass man die Schulen so stark unterteilen sollte. Außerdem habe ich das Vorurteil, dass das Klassische dieser Tage wenig nützt. Wer kann sich noch erlauben, den Plato auf Griechisch zu lesen und zu kennen. Das kann nicht vielen Leuten nützen. Also, ich glaube nicht, dass es gut ist das zu bewahren. Aber im Großen und Ganzen kann ich ihnen nicht sagen, was man in der Schule lernen sollte. So viel wie möglich, natürlich, aber man kann nicht alles lernen. Insbesondere in den Naturwissenschaften ist es schwer zu sagen, was und wie viel gelernt werden soll. Dort erfolgt eine so große Spezialisierung und die Forschung schreitet so schnell voran, dass es selbst für mich als Wissenschaftler unmöglich ist alles nachzuvollziehen. Ich glaube, man kann nur versuchen, die Grundlagen zu vermitteln.
Jetzt würden wir Sie gerne zu Ihrem Verhältnis zu Deutschland befragen. Wie haben Sie die Zeit direkt vor Ihrer Emigration in Erinnerung? Haben Sie z. B. festgestellt, dass sich Ihr Verhältnis zu Freunden geändert hat?
1933, da war ich zwölf, kam der Hitler an die Macht. Aber schon in den Jahren vorher gab es enorme Spannungen. Nach dem Krieg gab es die Spartakisten-Revolution, die man niedergeknallt hat. Die Weimarer Republik war nicht so sicher. Die politischen Aktionen waren sehr oft brutal, d. h., die Leute haben sich gegenseitig niedergeschossen und getötet. Und ich erinnere mich an die Braunhemden, die durch die Stadt gezogen sind und – mit Fackeln und kleinen Dolchen an der Seite – Parade gemacht haben. Diese Sachen und Plakate mit Karikaturen von Juden musste ich wahrnehmen.
Aber persönlich haben sich Schüler in meiner Klasse mir gegenüber nie in einer wirklich unangenehmen Weise benommen. Ich erinnere mich an nichts in der Schule, das ich als miserabel empfunden habe. Und ich weiß, dass der Schulleiter der Realschule – es war kein Gymnasium – sehr dafür gesorgt hat, dass den jüdischen Kindern nichts passiert. Natürlich, das waren die ersten Jahre vom Nationalsozialismus. Nach ein paar Jahren konnten die Juden nicht mehr in öffentliche Schulen gehen und mussten in jüdische Schulen.
Wie war es damals für Sie, als Sie nach Amerika gekommen sind? Hatten Sie Probleme mit dem Wechsel in einen anderen Haushalt und in eine andere Sprache?
An diese Zeit erinnere ich mich noch gut. Ich kam 1934 mit einem meiner zwei Brüder nach Amerika in den Haushalt eines reichen Mannes. Meine Eltern und mein zweiter Bruder konnten 1937 nachkommen, weil der Mann ihnen Garantien ausschrieb.
Der Wechsel von meinem Elternhaushalt zu einem anderen bereitete für mich überhaupt keine Schwierigkeiten. Mit 13 oder 14 Jahren konnte ich das leicht verstehen ohne irgendwelche psychologischen Probleme. Ich habe einmal in der Woche oder einmal im Monat Briefe an meine Eltern geschrieben, es dauerte allerdings sehr lange bis sie ankamen, da es mit dem Boot ging.
Das Englische selber war für mich auch überhaupt kein Problem. Ein Kind in dem Alter lernt eine Sprache schnell, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Wenn man älter wird, fällt das schwerer. Ich bin jetzt seit 30 Jahren in der Schweiz, und mein Französisch ist immer noch sehr begrenzt. Ich halte mich natürlich auch in einer englischsprachigen Umgebung auf, da Englisch die gängige Sprache am CERN ist.
Wie würden Sie heute Ihr Verhältnis zu Deutschland beschreiben?
Ja, das ist für mich überhaupt eine sehr interessante Frage. Ich war in Amerika und hatte überhaupt kein Verhältnis irgendwelcher Art zu Deutschland und sprach auch nicht deutsch. Auch im Elternhaushalt, nachdem die Eltern gekommen waren, sprachen wir nicht mehr deutsch. Meine Mutter war Englischlehrerin, aber mein Vater war Kantor in der Kissinger Synagoge gewesen. Er war schon 65 und konnte kein Englisch. Trotzdem hat er darauf bestanden, in Amerika nicht mehr deutsch zu sprechen. Und er hat das eigentlich gut gemacht, englisch mit uns zu sprechen. 1965 kam ich nach Europa zurück. Dort habe ich deutsche Kollegen gehabt und auch immer mal wieder deutsch gesprochen, aber nicht so viel.
Ich hatte kein Verhältnis zu Deutschland, aber ich hatte die deutschen Kollegen, die ich sehr schätzte. Ich spiele ein bisschen Musik und die Musikfreunde sind beinahe alle Deutsche und dann haben wir an Musikabenden manchmal deutsch gesprochen. Man hat keine großen Fragen gestellt.
1988 habe ich den Nobelpreis bekommen. Die Leute in meiner Geburtsstadt haben das gehört und mich dann ins Gymnasium von Kissingen eingeladen. 1988, das war – das wissen Sie vielleicht nicht – der fünfzigste Jahrestag der „Reichskristallnacht“. Zu diesem Anlass hat das Gymnasium – zwei Lehrer und eine Schülerklasse – eine Ausstellung vom jüdischen Leben in Kissingen vor der Nazizeit gemacht. Sie haben Bilder gesucht und wirklich sehr gut gearbeitet. Da kam mein Nobelpreis gerade im richtigen Moment. Sie haben mich eingeladen und ich bin gekommen, hab Leute kennen gelernt. Die Leute, die diese Ausstellung gemacht haben, waren sehr engagiert. Ich habe Freunde gefunden und bin von dem Moment an öfters nach Kissingen zurückgekehrt.
Ich schätze die Leute sehr und hab mir die Frage stellen müssen, ob die Leute, die ich jetzt in Kissingen kenne, anders sind als ihre Eltern. Die Eltern haben doch zum Großteil alle Hitler folgen können. Und ich habe diese Frage für mich beantwortet [lacht] und finde die Antwort nicht uninteressant. Wir sind alle so gut, wie wir sind. Das ist ein bisschen que sera, sera. Die Menschen sind, was sie sind. Sie sind zu Gutem und zu Schlechtem fähig. Was wir gut nennen und was wir schlecht nennen, ist nicht so klar. Dass wir imstande sind, Böses zu tun, das hat der Hitler nicht erfunden und das haben die Nazis nicht erfunden. Das war natürlich besonders brutal, aber in der Geschichte der Menschheit ist es vielleicht nicht die Ausnahme. Einer meiner neuen Kissinger Freunde hat mir ein kleines Buch über den Antisemitismus in Deutschland vor 1923/1924 gegeben, das ein bisschen die Geschichte erklärt. Der Antisemitismus war schon lange vor Hitler eine sehr populäre Sache.
Auf der einen Seite habe ich den Antisemitismus in Deutschland gesehen, auf der anderen aber auch die deutsche Kultur, die vor der Nazizeit fantastisch war, zum einen in der Musik und in der Literatur, wie z. B. Heine und Kafka, aber auch in den Wissenschaften. Ich habe, auch als ich schon in Amerika, dem reichen Land der Wissenschaft, Physik studiert habe, viele Lehrbücher aus der Vorkriegszeit auf Deutsch gelesen.
Ich glaube, dass wir alle unter bestimmten Umständen zu viel Schlechtem fähig sind. Wenn ich jetzt Amerika sehe, ist mir auch vieles unsympathisch, z. B. im Zusammenhang mit Abrüstung und Ökologie. Dort spielt Amerika eine fürchterliche Rolle.
Der Beitrag der Gesellschaftsmitglieder spielt immer eine wichtige Rolle. Jeder sollte darüber nachdenken, was er tun kann, damit die Menschen anständig zusammenleben können, und jeder sollte sich fragen, was er für die Zukunft der Menschheit tun kann.
Wie hat sich die Forschung im Laufe der Jahrzehnte verändert?
Als ich mit der Physik angefangen habe, da konnte ich meine Doktorarbeit – zu der Zeit ein ganz großes Experiment – in 7 bis 8 Monaten vollständig durchführen, vom Anfang bis zum Ende. Das ganze Studium nach dem Bachelor's Degree hat zwei Jahre gedauert, also wirklich kurz. Aber wenn jemand heute etwas in der Teilchenphysik machen möchte, dauert es bedeutend länger. Die Experimente, die zum Beispiel momentan im CERN vorbereitet werden, wurden schon im Jahr 1985 angefangen und nun haben wir das Jahr 2002. Die Ergebnisse, die wir mit dem Ringbeschleuniger, der momentan im CERN entwickelt wird, erzielen können, werden sehr kompliziert sein. Daraus brauchbare Informationen zu erlangen wird sich als sehr schwer erweisen. Da muss uns der liebe Gott schon helfen. In der Teilchenphysik sind wir nun auf einem Niveau, wo alles, was man bislang über Teilchenphysik weiß, alles, was bis jetzt bekannt ist, theoretisch verstanden ist. Wir haben das „Standard Modell“, mit dem man alles verstehen kann. Es ist klar, dass dieses Modell nicht komplett ist. Dass Teilchen zum Beispiel Massen haben, ist darin nicht enthalten. Man weiß nicht, warum sie diese Massen haben, aber wenn wir die Masse kennen, können wir alles vorhersagen, was das Teilchen machen wird. Wie sieht diese Physik nun aus? Es gibt noch einige Fragen, die wir nicht beantworten können, z. B. die Frage, wie sich die Materie unter bestimmten Verhältnissen wie zum Zeitpunkt der Entstehung unseres Weltraums benimmt. Dazu benötigt man Physik, die wir noch nicht kennen. Ich nehme daran allerdings überhaupt nicht mehr teil. Ich fahre jeden Tag mit meinem Fahrrad zum CERN und versuche Kosmologie zu verstehen. Das hat aber nichts mehr mit Teilchenphysik zu tun. Ich lese Arbeiten von anderen Wissenschaftlern und habe Spaß daran, den Fortschritt zu beobachten. Ich versuche es zumindest.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, an Neutrinos und Atomen allgemein zu forschen?
Ich habe mein ganzes professionelles Leben lang die Teilchenphysik verfolgen können. Das war ein großes Privileg. Auch, dass man machen kann, was man will. Und ich habe immer so forschen können, wie ich wollte. Bei dieser Forschung habe ich nie an den Nobelpreis gedacht; darauf bin ich ein bisschen stolz. Es war eine interessante Arbeit, aber dass sie gerade zu dem Zeitpunkt Anfang der 60er Jahre möglich war, lag daran, dass es gerade dann die Beschleuniger gab, die es ermöglichten, einen Strahl aus Neutrinos zu fabrizieren. Die Beschleuniger waren damals in großem Aufschwung und wir waren eben dort, wo es so einen Beschleuniger gab. Ohne diesen wäre eine solche Arbeit unmöglich gewesen.
Meine Doktorarbeit war ebenfalls ein enormes Glück in meinem Leben. In Chicago hatte ich ein Stipendium bekommen und dort arbeitete Fermi, ein absolut vorbildlicher Physiker, bei dem ich meinen Doktor hab machen können – eine vollkommene Glückssache. Der Name war mir vorher gar kein Begriff gewesen. Dort habe ich dann über kosmische Strahlen geforscht.
In der Teilchenphysik gibt es zweierlei Berufe, Theoretiker und Experimentalphysiker, und ich wollte Theoretiker werden. Es gab dann die Möglichkeit, ein Experiment zu machen, und der Fermi sagte, das machst du, und dann habe ich es gemacht. Später habe ich mich noch einmal in Theorie versucht, was für mich nicht sehr leicht war. Die Theorie der Teilchen ist eine sehr komplizierte Sache. Aber die Experimentalphysik liegt mir viel näher. Ich war jedenfalls nicht der Schlechteste dabei – das hat vielleicht auch etwas mit dem Preis zu tun. Ich habe mit meinen Forschungen zwei neue Teilchen entdecken können und auch noch andere Experimente gemacht, die ganz interessant waren.