Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 4. April 2013, S. 8 [1]
Das Forschungsteam fängt an einem Flussbecken die kleinen Guppys (Foto: privat)
Aurich/Trinidad. Das Abenteuer Trinidad und Tobago hat für uns schon einen Tag vor dem Flug nach Miami begonnen. Da wir auf keinen Fall das Flugzeug in Berlin-Tegel verpassen wollten, reisten wir schon frühzeitig nach Berlin. Dort nahmen uns die Kollegen Dr. Prof. Jens Krause (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin), Dr. James Herbert-Read aus Australien, Dr. Alexander Wilson aus Kanada und Doktorand Romain Clement aus Frankreich in Empfang.
Durch die verschiedenartigen Herkünfte ergibt es sich, dass im Team hauptsächlich Englisch gesprochen wird. Auch die Amtssprache von Trinidad ist Englisch, daher sind gute Sprachkenntnisse eine Voraussetzung.
Auf Trinidad gibt es eine Zeitverschiebung um minus 5 Stunden. Das heißt, wir kamen um 2.30 Uhr deutscher Zeit und 9.30 Uhr Ortszeit in Trinidad an. Dort wurden wir von Prof. Indar Ramnarine empfangen. Wir beschafften uns direkt am Flughafen einen Mietwagen für die einmonatige Expedition. Daraufhin zeigte uns Prof. Ramnarine unsere Unterkunft für die kommenden Wochen: ein zweistöckiges Haus im Eigentum der UWI Universität.
Am ersten Tag fuhr das gesamte Team erst einmal zum Universitätsgelände. Dort trafen wir wieder Prof. Ramnarine, auch um organisatorische Fragen zu klären. Sowohl Jan als auch mir wurde ein Papier ausgehändigt, welches uns das Betreten des Campusgeländes erlaubte. Als nächstes inspizierten wir ein Labor, das von der Universität für die Arbeit von Dr. Herbert-Read gestellt wurde. Das Labor ist mit mehreren größeren Aquarien ausgerüstet, in denen Fische beherbergt werden. Dr. Herbert-Read beobachtet dort das kollektive Verhalten der Guppys im Labor. Dort fanden wir auch mehrere Gegenstände, die wir zum Fangen der kleinen Fische benutzen konnten.
Am Abend erfuhren wir, dass eine Gruppe von wissenschaftlich interessierten Touristen bei einer Fledermaushöhle im Regenwald (bei Tamana) Forschungen zur Vielfalt der verschiedenen Fledermäuse betreiben. Diese einmalige Gelegenheit mussten wir unbedingt wahrnehmen und fuhren zur Höhle. Dort angekommen, war die Datenaufnahme bereits im vollen Gange. Dies muss man sich folgendermaßen vorstellen:
Eine sogenannte „Harp Trap“ (der Name ergibt sich aus der Bauweise, die einer Harfe ähnelt) geleitet die Fledermäuse, wenn sie denn in die Falle gingen, in ein Fangbecken. Dort wurde jedes einzelne Exemplar untersucht, um im Anschluss mit den Datensätzen die Mengenverhältnisse der einzelnen Arten und die Vielfalt zueinander in Relation zu setzen.
Die Höhle war ein mehrschichtiger Komplex aus mehreren großen und kleinen Höhlen, verbunden mit schmalen Gängen. Dabei mussten wir zwar durch knöcheltiefe Ansammlungen von Fledermausexkrementen waten. Außerdem urinierten die Fledermäuse von der Decke auf uns herunter. Zum Glück hatten wir unsere Regenponchos dabei. In dem Höhlen-komplex befanden sich ungefähr eine Million Fledermäuse.
Am nächsten Tag haben wir dann mit dem eigentlichem Vorhaben der Expedition begonnen: die Untersuchung des kollektiven Verhaltens der Guppys. Nach einer kurzen Autofahrt erreichen wir eine Brücke inmitten des Regenwaldes. Hier verläuft auch der Fluss entlang, der das Wasser von Quellen aus den Bergen führt.
Diesen Fluss verfolgten wir daraufhin aufwärts. Teilweise mussten wir durch das Flussbett wandern, teilweise gibt es eingetrampelte Pfade der Einwohner über Wurzeln und Steine. Unser Ziel für diesen Tag waren Wasserfälle tiefer im Wald. Dort angekommen haben wir zuerst die Guppys für Dr. Herbert-Read’s Labor gefangen. Daraufhin wurde uns noch die Möglichkeit gegeben, dass wir zusammen mit dem Team die Wasserfälle hochklettern. Ein unglaubliches Erlebnis. Die Wasserfälle bestehen zum größten Teil aus Kalkstein und mit der Zeit haben sich atemberaubende Formationen entwickelt. Wir hatten sogar die Möglichkeit, im Wasser der Wasserfälle schwimmen zu gehen.
Danach sind wir einen anderen Flussverlauf hoch gewandert, um ein geeignetes Flussbett für die systematische Observation der Guppys zu finden. Nachdem wir eine geeignete Stelle ausgemacht hatten, brachen wir gegen Nachmittag dann mit den sicher in großen Plastiktüten verpackten Guppys auf zum Labor, wo sie dann ihr neues Zuhause beziehen konnten.
Tags darauf sind wir dann wieder zu unserem Pool/Flussbecken am Turure aufgebrochen. Die Flussbecken müssen für eine Observation relativ groß sein, mit gemäßigtem Wasserfluss, sodass die Guppys einerseits nicht ins nächste Becken gespült werden und man sie andererseits durch eine glatte Wasseroberfläche gut beobachten kann.
Jeder einzelne Fisch wird mit Nelkenöl betäubt, um ihm anschließend Farbe in die Epidermis (Zwischenhaut) zu tätowieren. Dabei entscheidet man sich idealerweise für sehr unterschiedliche Farben, die auch unter schlechten Sichtverhältnissen erkennbar sind. Auf diese Weise bekommt jeder einzelne Fisch eine individuelle Markierung.
Am nächsten Tag durften wir uns dann der Praxis widmen. Konkret sah das so aus: Der gefundene Guppy wird für zwei Minuten beobachtet. Hierbei wird alle 10 Sekunden die Aktivität des Exemplars notiert. Wird gebalzt oder isst der Fisch gerade? Ist er alleine oder sozial mit einem anderen Fisch verbunden? Schwimmt er nur durch die Gegend oder ist er vielleicht im Moment sexuell aktiv?
All diese Daten werden anschließend in codierter Form festgehalten. Dabei wird der jeweilige Fisch zu zweit beobachtet und jemand anderes notiert. Die erhobenen Daten werden dann am Ende am Laptop elektronisch verarbeitet und anschließend analysiert.
Die Auricher Schüler Meint-Hilmar Broers und Jan Trebesch erforschen vier Wochen lang das Schwarmverhalten von Guppys auf Trinidad. Wohnen werden die beiden an der Nordwestküste in einer Unterkunft der Universität von Port of Spain, der Hauptstadt der Inselrepublik. Ermöglicht wird ihnen die Forschungsreise durch die Auricher Wissenschaftstage.
Ein Scan des Artikels ist ebenfalls verfügbar.