Logo der Berufsbildenden Schulen 2 Aurich

Auricher Wissenschaftstage –
Forum einer dritten Kultur

Logo des Ulricianums

Mexiko-Expedition

Informationen über das Institut

Logo des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin, 7k

Homepage des Leibniz-Instituts
für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin

Expeditionsbericht (02.04. – 25.04.2018)

Wir, Jule Detmers von den Berufsbildenden Schulen 2 und Laureen Dreesch vom Gymnasium Ulricianum, hatten im Rahmen der Auricher Wissenschaftstage die Möglichkeit, in Teapa (einer Kleinstadt in Mexiko) ein dreiwöchiges Praktikum im Bereich Schwarmintelligenz und Fischökologie zu absolvieren. Dabei konnten wir eine Reihe einmaliger Eindrücke gewinnen und eine Menge Erfahrungen sammeln, von denen wir im Folgenden berichten wollen.

Gruppenfoto der Mexiko-Expedition 2018 am Fluss, 17 k

Teamfoto am Fluss

Am 02.04. fuhren wir zu zweit nach Berlin, um am darauffolgenden Tag gemeinsam mit fünf Wissenschaftlern der Humboldt-Universität in Berlin (Prof. Dr. Jens Krause, Doktorandin Juliane Lukas, Dr. Carolina Doran (Portugiesischer Gast PostDoc an der HU), Dr. David Bierbach und BSc Marie Habedank) die Reise über Amsterdam nach Mexiko anzutreten, wo wir die fehlenden drei Teammitglieder (Dr. Pawel Romanczuk, BSc Haider Klenz (ehem. Auricher) und Pascal Klamser) kennenlernen und die kommenden drei Wochen gemeinsam arbeiten und wohnen würden. Alle Teammitglieder (uns beide natürlich eingeschlossen) duzten sich gegenseitig und sprachen sich mit Vornamen an, was der ohnehin schon familiären Atmosphäre, in der wir lebten und arbeiteten, sehr zugute kam. Durch eine primär englische Teamsprache konnten wir uns immer gut verständigen und auch unseren englischen Wortschatz um viele Vokabeln erweitern.

Aufgrund der Zeitverschiebung kamen wir am 04.04. um ca. 00:30 Ortszeit im Hotel an, in welchem wir eine Nacht verbrachten und von welchem aus wir am nächsten Tag zur Universidad Juárez Autónoma de Tabasco (kurz: UJAT) fuhren. Dort lernten wir Prof. Dr. Lenín Arias Rodriguez kennen, bei dem wir das Equipment abholten, mit welchem wir in den nächsten drei Wochen arbeiteten. Auf dem Universitätsgelände bekamen wir eine Reihe exotischer Tiere zu sehen. Darunter beispiels­weise Knochenhechte, Schildkröten, Krokodile und eine Seekuh, die dort in Gefangenschaft lebten. Es gab jedoch auch einige freilebende Tiere, die sich selbst in den Gewässern und Bäumen auf dem Campus und auf dem zoologischen Gelände der Universität angesiedelt hatten. Hier lassen sich beispielsweise Streifenbasilisken, Leguane, Papageien und viele Schmuckreiher (engl.: Snowy egret) nennen.

Foto des Schlafsaals bei der Mexiko-Expedition 2018, 10 k

Unser Schlafsaal

In der Feldstation angekommen richteten wir uns ein: es gab einen großen Schlafsaal, in dem sich zehn Betten für das gesamte Team befanden. Außerdem gab es einen kleinen Gemeinschaftsraum und zwei badezimmerähnliche Räumlichkeiten. Unser Frühstück beschränkte sich meist auf Brot und Müsli in der Feldstation. Für das Mittagessen fuhren wir täglich zu einem Obst- und Gemüsehändler und kauften dort Avocados, Bananen, Mangos und andere Früchte, mit denen wir dann in unserer Mittagspause an der Arbeitsstelle unsere Tortillas belegten. Das Beste hieran war, dass die Früchte des Ladenbesitzers – weil es das mexikanische Klima nun einmal möglich machte – sozusagen aus dem eigenen Garten stammten. Abends besuchten wir hauptsächlich ein Restaurant namens „La Mancha“, in dem für sehr wenig Geld typisch mexikanische Mahlzeiten sowie freies WLAN angeboten wurden. Beide Angebote nahmen wir mit großer Freude wahr.

Nun zu unserer eigentlichen Arbeit:

Unsere Arbeitsstelle war ein parkähnliches Gelände, welches durch den Schwefelfluss, an welchem wir arbeiteten, und einen steilen Hang von der angrenzenden Straße abgegrenzt wurde. Eigentlich war dieses Gelände eine Art Kurort, den am Wochenende viele Familien besuchten und an dem auch spezielle Wassertherapien, Massagen und Ähnliches angeboten wurden. Der Name des Geländes war „Los Azufres“ (dt.: Schwefel), von uns bekam es aber den Spitznamen „baños“ (dt.: Bäder). Den Großteil unserer Arbeitszeit verbrachten wir natürlich am Fluss selbst, wir mieteten aber ebenfalls ein kleines Zimmer als Stauraum und Labor, in dem wir einige unserer Experimente durchführten.

Der Hauptaspekt unserer Arbeit war die Ausbreitung so genannter „repeated waves“. Dabei handelt es sich um einen Schutzmechanismus der Fischschwärme. Wird ein Fischschwarm – beispielsweise durch einen Eisvogel - angegriffen, tauchen sofort alle Fische rund um die Eintauch­stelle des Vogels im Wasser ab. Dieses Verhalten breitet sich konzentrisch aus und zieht sich – je nach Stärke des Reizes – durch den gesamten Schwarm. Durch das Untertauchen der Fische entstehen kleinste Wellen, die die Wasser­oberfläche für einen Moment aufzurauen scheinen. Dieses Fluchtverhalten ist für die Fische ein sehr guter Schutzmechanismus, wird jedoch noch spektakulärer: Ist der Reiz stark genug, reagieren die Fische auf die von ihnen selbst ausgelösten Wellen mit dem gleichen Prinzip. Es kommt zur Bildung der „repeated waves“, also einer Wellenbewegung als Reaktion auf eine zuvor ausgelöste Welle. Diese Reaktion kann mehrere Minuten lang andauern, in denen die Fische in höchster Alarmbereitschaft bleiben. Man vermutet, diese „repeated waves“ seien ebenfalls ein Schutzmechanismus, allerdings ein präventiver: durch die unruhige Oberfläche des Wassers wird der potentielle Angreifer verwirrt oder auch zeitlich hingehalten, denn wie wir beobachten konnten, greift der Vogel nicht an, bevor sich die Wasseroberfläche wieder beruhigt hat. Ein Angriff wäre für den Vogel während der Reaktion sinnlos, da er durch die fast undurchsichtige, aufgeraute Wasseroberfläche, seine Beute nicht gezielt anvisieren kann. Laut dieser Theorie wäre es den Fischen also möglich, einen weiteren Angriff zu verhindern.

Foto vom Fischefangen bei der Mexiko-Expedition 2018, 18 k

Wir fangen Fische mit Juliane

Typische Aufgaben, die wir Stipendiatinnen übernahmen, waren beispiels­weise das Fangen von (selbstverständlich lebenden) Fischen, die ein Teil des Teams (Juliane Lukas, Dr. David Bierbach, Haider Klenz und später auch wir) für verschiedene Versuche benötigten.

In den Versuchen maßen wir unter anderem die Schwimm­leistung der einzelnen Fische, wobei sich herausstellte, dass die beiden Arten, an denen primär geforscht wurde (Poecilia Sulphuraria (ugs. Mollys) und Gambusia (ugs. Gambusen)), deutliche Unterschiede bezüglich ihrer Schwimmtechnik und auch Ausdauer aufwiesen.

Foto eines Versuchsaufbaus bei der Mexiko-Expedition 2018, 19 k

Versuchsaufbau: Social Contagion

Eines unserer Haupt­experimente trug den Namen „social contagion“ (Soziale Übertragung) und hatte das Ziel, die „repeated waves“ genauer zu untersuchen. Geleitet wurde es von Juliane. Dazu befüllten wir zwei durchsichtige Tanks mit Wasser und setzten Fische hinein. Die Tanks wurden neben­einander­gestellt, sodass die Fische sich gegenseitig sehen konnten. Dann stimulierten wir die Fische in einem der Tanks durch einen visuellen Reiz (oder einfach ausgedrückt: ein Video auf einem Tablet, das oben auf dem Tank auflag), den Haider für uns entworfen hatte, und beobachteten, ob sich die Wellenreaktion durch bloßen Sichtkontakt zwischen den Individuen auch zu den Fischen im nichtstimulierten Tank ausbreiten konnte. Nach einigen relativ erfolglosen Versuchen veränderten wir dann den Versuchsaufbau. Wir nahmen nur einen Tank, teilten ihn aber in der Mitte durch eine Lochplatte in zwei einzelne Bereiche. So konnten sich die Fische nicht nur sehen, sondern die Wellenbewegung des Wassers (mechanischer Reiz) konnte sich durch die Löcher der Platte ausbreiten und einen Reiz auf der anderen Seite des Tanks auslösen. Nach einiger Zeit ging unser Plan auf und wir konnten beobachten, wie Fische aus dem nichtstimulierten Bereich ebenfalls abtauchten, wenn die Fische aus dem stimulierten Teilbereich abtauchten. Um möglichst viele Datenpunkte sammeln zu können, wiederholten wir den Versuch mit veränderten Variablen (z. B. der Anzahl der Fische auf beiden Seiten, Mollys und Gambusen getrennt oder gemischt).

Außerdem maßen wir die physiologische Belastbarkeit der beiden Arten, indem ein Individuum für einen kleineren Zeitraum in sauerstoffarmes Wasser gesetzt und auch hier wieder das Verhalten und die Kondition jedes Fisches unter genauester Beobachtung dokumentiert wurde. Anschließend setzten wir den Testfisch zur Erholung wieder in sauerstoffreiches Wasser, bevor er schließlich freigelassen wurde.

Wir durften sogar die Verantwortung für eine eigene mehrtägige Messung übernehmen, bei welcher wir das Verhalten von Mollys und Gambusen für jeweils fünf Minuten aufzeichneten und dabei mehrere Variablen berücksichtigten. Wir führten hierbei die Messung mit einzelnen Individuen und in Gruppen, in Schwefel- und Süßwasser, mit Mollys und Gambusen, einige Male getrennt und einige Male gemischt durch. Insgesamt erzielten wir so ca. 80 Datenpunkte, die nun auch als Grundlage für die Auswertung weiterer Beobachtungen genutzt werden können.

Wenn wir ein wenig Zeit übrighatten, halfen wir Marie, Carolina und Jens beim Aufzeichnen von Vogelattacken auf Fischschwärme im Schwefel­fluss oder bei der gezielten Auslösung von „repeated waves“, indem die Fischschwärme mit Skittles oder Kichererbsen beschossen wurden (dabei wurden aufgrund der extrem schnellen Reaktionsfähigkeit der Fische natürlich keine Tiere verletzt!).

An unserem freien Tag besuchten wir drei verschiedene Höhlen, die alle auf ihre Art und Weise außergewöhnlich waren. Die erste Höhle war kniehoch mit Schwefelwasser gefüllt. Dort konnten wir – entsprechend dem Gegenstand unserer Forschung – Mollys beobachten, die dem Leben in der komplett dunklen Höhle angepasst und demzufolge blind und unpigmentiert waren. Die zweite Höhle war der Lebensraum verschiedenster Fledermausarten. Neben einigen frucht- und insektenfressenden Arten sahen wir auch die drei blutsaugenden Arten: den Weißflügelvampir, den Kammzahnvampir und den Gemeinen Vampir. Die letzte Höhle war eine große, verwinkelte Tropfsteinhöhle, in der man hervorragend klettern – und sich verlaufen – konnte. Neben unseren Höhlenbesuchen standen für unseren freien Tag noch das Baden unter einem Wasserfall, der Besuch eines romantischen kleinen Dorfes und das Schwimmen im Oxolotan River an.

Abschließend möchten wir uns ganz herzlich bei allen Mitwirkenden bedanken. Hierzu gehören als erstes natürlich die Organisatoren und Unterstützer der Auricher Wissenschaftstage und alle Lehrer, die dabei geholfen haben, die Reise zu organisieren und uns auf diese unglaubliche Erfahrung vorzubereiten. Außerdem ein großes Dankeschön an unser Team vor Ort in Mexiko – allen voran Prof. Dr. Jens Krause, der es den Schülern der Auricher Schulen seit Jahren ermöglicht, ihn auf seinen Forschungsreisen zu begleiten –, dafür dass wir so herzlich aufgenommen wurden und mit Euch eine wirklich unvergessliche Zeit in Mexiko verbringen durften.

Seitenanfang