Position der „Meteor“:
16° 43,34 N
61° 35,06 W
Die letzte Woche an Bord der „Meteor“ ist angebrochen. Wir befinden uns östlich der Virgin Islands. In den letzten Tagen sind wir auf der westlichen Seite der Kleinen Antillen vorbeigefahren. Während wir unsere Messungen vornahmen, bestaunten wir mit dem Fernglas endlose Sandstrände und wären gerne selbst in einem der Palmenhaine gewesen. Eines Abends bemerkten wir etwas ganz Besonderes. Beim Betrachten des Sonnenunterganges bei Antigua stellten wir einen besonderen Geruch fest.
Jann bei der Konstruktion einer Wasserröhre. Foto: Privat
Der Wind trug den Geruch von Land zu uns. Man sah förmlich Mangroven, farbenfrohe Blumen und karibische Märkte, wenn man die Augen schloss. Wenn man sie jedoch wieder öffnete, konnte man gerade mal die Konturen der Insel erahnen. Obwohl wir keine Menschen sehen, kommen manchmal Inselbewohner zu uns geflogen. Heute flog längere Zeit ein ganzer Schwarm großer Fregattvögel mit dem Forschungsschiff mit. Viele von uns griffen zu der Kamera, um sich dieses beeindruckende Bild nicht entgehen zu lassen. Nach einer anstrengenden Schicht suchen viele die Ruhe des Peildecks auf, um eine Stunde in der Sonne zu dösen.
Um Punkt 12 wird man allerdings jeden Tag jäh aus dem Schlaf gerissen. Um diese Uhrzeit wird das Signalhorn getestet. Scherzhaft wird gesagt, dass man seine Uhr danach stellen kann, doch sind wir davon überzeugt, dass man bei dem plötzlichen Tuten viel zu erschrocken dazu ist. Auch in der Karibik scheint nicht jeden Tag die Sonne. Schon seit einigen Tagen kann man nachmittags kein Sonnenbad genießen, da die Sonne von Wolken verdeckt ist. Aber lang anhaltende ostfriesische Regentage blieben uns hier zum Glück erspart. Dafür sucht uns regelmäßig ein anderes Problem heim.
Das Schiff ist klimatisiert. Wenn jedoch feuchte warme Luft ins Innere gelangt, kondensiert sie sehr schnell und Wasser tropft von der Decke. Anfangs war es noch ein Spaß, aufgeschnittene Plastikflaschenn an die Decke zu hängen, damit sie die Tropfen auffangen. Da aber bei jedem Türen öffnen ein Schwall warmer Luft hineingelangt, griffen wir an einigen Stellen schon zum Eimer. Es ist aber nicht so, dass es im ganzen Schiff regnet. Die Kondensationsprobleme beschränken sich auf ein Labor. Nur ist es leider das von uns am meisten genutzte CTD-Labor. Von hier aus kontrollieren wir das Hinablassen der Rosette. Besonders beim Antritt der Schicht wird man bei Seegang von einem Schwall Wasser begrüßt. Bei den Außentemperaturen stört dieses aber nicht sehr und es hilft auch beim Wach werden.
Alle können beim Bau von Wasserauffanggeräten ihre Kreativität und Talent zum Ingenieur unter Beweis stellen. Jann überzeugte mit dem Bau einer Wasserflaschenröhre. Schade nur, dass am nächsten Tag das Tropfen nachließ.
Position der „Meteor“:
18° 36,09 N
64° 07,16 W
Aurich / El Hierro. Auf einem Schiff ist es besonders wichtig, dass die Küche oder besser die Kombüse stimmt. Auch muss aufgeräumt werden, um jederzeit seetaugliche Ordnung zu haben. Diese Aufgabe haben die Stewards. Wir haben uns mit Rainer Götze unterhalten, um mehr über das Leben eines Stewards an Bord der „Meteor“ herauszufinden.
Rainers Arbeitstag beginnt bereits um fünf Uhr morgens. Manchmal kann das frühe Klingeln des Weckers ganz schön nervig sein, aber ohne die Stewards würde das Frühstück ausbleiben und nach spätestens zwei Tagen gäbe es eine Meuterei. Ihre erste Aufgabe in der Frühe ist es, die Kombüse und die Messe aufzuklaren, damit der Koch genügend Platz zum Kochen hat. Wenn alles vorbereitet ist, klaren die Stewards die verschiedenen Gänge auf. Wenn Mannschaft und Wissenschaftler gegen acht Uhr zu Ende gefrühstückt haben, essen auch die Stewards ein Brötchen.
Rainer neben dem von ihm aufgebauten Abendbuffet. Foto: Privat
Nach dem Frühstück werden die verschiedenen Kojen gesäubert und die Flure gereinigt. Kurz darauf beginnen die Vorbereitungen zum Mittagessen. Tische werden gedeckt und Essen an die Tische gebracht. Wenn die Arbeit erledigt ist und auch sie gegessen haben, beginnt für einen der vier ein freier Tag. Ein Steward hat die Aufgabe, das Kaffeetrinken um 15 Uhr vorzubereiten. Zwei weitere kommen bereits um 16.30 Uhr zur Vorbereitung des Abendessens dazu. Der erste Steward hat außerdem die Aufgabe, die verschiedenen Kühlschränke an Bord aufzufüllen und sich um den Einkauf zu kümmern. Mittlerweile bemerken wir schon, dass wir ein paar Wochen unterwegs sind.
Vor einigen Tagen ist der Joghurt ausgegangen und auch Gurken gibt es nicht mehr. Bananen hielten nur zwei Wochen und wir geben uns mit Äpfeln, Melonen und Orangen zufrieden. Vor kurzem gab es das Gerücht, dass die Schokolade ausgegangen sei. So freute man sich umso mehr, als das Fach am nächsten Tag wieder prall gefüllt mit Vollmilchschokolade war. Bevor Rainer zur See gefahren ist, machte er eine Ausbildung zum Koch. Auf See fahren wollte er schon immer. Ausschlaggebend für seine Bewerbung war schließlich ein Bekannter in Hamburg, der ihm die Adresse einer Reederei gab. Nach einer spontanen Bewerbung wurde er sofort genommen.
Einige Jahre fuhr er als Kochsmaat, bis er als Steward auf der „Meteor“ eingestellt wurde. Seine erste Reise hat er noch gut in Erinnerung. Es war sehr ruhige See und er war erstaunt, als er bei einem Blick aus dem Bullauge feststellen konnte, dass das Land bereits in weiter Ferne lag. Mittlerweile ist es für ihn normaler Alltag, wenn er sich wochenlang auf See befindet. So wie wir uns bereits sonntagabends auf das nächste Sonntagsessen freuen, freut sich Rainer auf seinen nächsten freien Tag. Auch am freien Tag klingelt sein Wecker um 4.30 Uhr für die Morgenarbeit. Schließlich dauert der freie Tag nur einen Nachmittag lang.
Position der „Meteor“:
19° 28,17 N
64° 17,74 W
Aurich / El Hierro. Unsere Forschungsreise an Bord der „Meteor“ beschäftigt sich mit Meeresströmungen und wie sie sich auf unser Klima und damit auf unser Leben auswirken. Ozeane und Klima hängen eng miteinander zusammen, weil der Ozean dazu beiträgt, Wärme aus äquatornahen Gebieten auf dem gesamten Globus zu verteilen. Auch in Europa profitieren wir von dem Wärmetransport, den uns der Golfstrom liefert. Während uns in Ostfriesland milde Winter erfreuen, leiden Kanadier auf dem gleichen Breitengrad unter frischen Temperaturen von -10 bis -20 °C.
Gesa und Jann vor dem CTD-Monitor, auf dem man, während die Rosette
hinab gelassen wird, Salzgehalt, Temperatur und Druck ablesen kann. Foto: Privat
Auf dem Globus gibt es viele Meeresströmungen die warmes oder kaltes Wasser transportieren. Sie sind aber alle miteinander verbunden und werden als ozeanische Umwälzbewegung bezeichnet. Sie wird durch Temperatur- und Salzgehaltdifferenzen angetrieben. Es fließt warmes Wasser an der Oberfläche Richtung Norden und darunter kaltes Wasser Richtung Süden. In der Labradorsee und anderen kalten Gebieten kühlt das warme Oberflächenwasser ab und durch Verdunstung erhöht sich der Salzgehalt. Dieses kalte, salzhaltige Wasser ist schwerer und sinkt daher in die Tiefe. Von den Seiten strömt jetzt wärmeres Wasser dorthin, wo sich zuvor das hinab gesunkene Wasser befand und kühlt ebenfalls ab.
So ist es fortlaufend der Fall. Dadurch entsteht horizontale und vertikale Bewegung im Ozean. Als Tiefenstrom fließt das kalte Wasser nun um den Erdball. An die Oberfläche gelangt es nur dadurch, dass ein Ausgleich zum hinab gesunkenen Wasser hergestellt werden muss. Früher hat man angenommen, dass dies im ganzen Ozean gleichmäßig passiert. Heute glaubt man aber, dass es wie auch beim Absinken besondere Orte gibt, an denen vermehrt Wasser nach oben strömt. Doch leider sind die Geschwindigkeiten, mit denen sich das Wasser bewegt, so gering, dass man sie nicht direkt messen kann.
Sie liegen nur bei etwa 100 Metern pro Jahr. Interessant ist es, herauszufinden, wie der Transport von südhemisphärischem Wasser in die Nordhemisphäre funktioniert, welchen Weg diese Wassermassen nehmen, um in den Norden zu strömen. Hierzu machen wir Untersuchungen in den Passagen zwischen den einzelnen Karibikinseln. Mit Hilfe unserer Wasserproben können wir die Herkunft des Wassers durch dessen spezifische Eigenschaften, wie zum Beispiel Salz-, FCKW- und Sauerstoffgehalt, bestimmen. Hierbei wurde bereits herausgefunden, dass die aus der Südhemisphäre kommenden Wassermassen nicht nur durch die Karibik, sondern auch durch den Atlantik fließen.
Dennoch gilt es noch viel zu erforschen, da Meeresströmungen, ohne dass wir es merken, großen Einfluss auf unseren Alltag haben. Nicht nur das Klima, sondern auch Flora und Fauna verändern sich durch sie. Würde der Golfstrom abbrechen, würden die Temperaturen in Ostfriesland zunächst um einige Grad fallen. Durch den Treibhauseffekt und die globale Erwärmung wäre diese Abkühlung aber bald wieder aufgehoben. Also werden in Ostfriesland weiterhin schwarz-weiße Kühe und keine skandinavischen Rentiere grasen.
Position der „Meteor“:
23° 36,51 N
64° 06,98 W
Aurich / El Hierro. Nachdem wir uns von den Insel entfernt haben, fuhren wir Richtung Norden, um weitere Messungen durchzuführen. Das Wetter wurde immer schlechter und auch die See unruhiger. Wir waren froh, während der ganzen Reise von Hurrikans verschont gewesen zu sein und so machte uns ein wenig Geschaukel auch nichts aus. Nur dem fehlenden Sonnenschein trauern wir ein wenig hinterher. Auch die Arbeit an der Rosette ist nicht immer einfach. So wurde Jann bei der Sauerstoffprobennahme von einer großen Welle getroffen und durchnässt. Bei Wassertemperaturen von 30°C kann man aber auch darüber noch lachen.
Jann, nachdem er bei der Sauerstoffprobennahme
von einer Welle getroffen wurde. Foto: Privat
Heute machte die Rosette ihren letzten Tauchgang. Um kurz nach acht Uhr morgens stand sie wieder an Deck. Ein wenig wehmütig zapften wir die letzten Proben. Nicht nur die letzte Station war zu Ende gegangen, auch unsere Reise naht sich dem Ende. Wir werden fast drei Tage brauchen, bis wir in Willemstad ankommen.
Doch längst ist nicht alle Arbeit getan. So werden wir die Transitzeit dazu nutzen, Geräte abzubauen und den Container zu füllen, damit Platz für die nächste Forschungsgruppe entsteht. Ganz besonders schwierig wird es sein, im Gästebuch eine kreative Idee zu hinterlassen. Dazu werden Fotos gesammelt, Skizzen gezeichnet und Poesie geschaffen. Jann und Gesa organisieren nebenbei etwas ganz besonderes. Da keiner an Bord die Möglichkeit hat, sich an der Bundestagswahl zu beteiligen haben wir uns überlegt, eine „Meteor“-interne Wahl zu starten. Jeder wird seine Stimme einer Partei geben.
Die Direktmandate fallen weg, weil Besatzung und Wissenschaftsteam aus vielen verschiedenen Wahlbezirken kommen. Als besonders Highlight wird es Wetten geben. Jeder wird eine Einschätzung abgeben können, welche Partei voraussichtlich welchen Prozentanteil der Stimmen an Bord bekommen wird. Derjenige mit der geringsten Abweichung zum tatsächlichen Ergebnis ist der Sieger und wird mit einem kleinen Preis belohnt. Wenn wir Montag in Willemstad einlaufen, werden die meisten Taschen schon gepackt sein. Das Packen wird gar nicht so einfach sein, da viel sich mit Souvenirs eingedeckt haben. Das Sortiment umfasst T-Shirts, Pullover, Feuerzeuge, Tassen und sogar Postkarten.
Die Postkarten kann man in der schiffseigenen Poststelle frankieren und abstempeln lassen. Für Sammler hat besonders der „Meteor“-Stempel einen besonderen Wert. Manche Sammler senden auch die Bitte um einen Stempelabdruck die dann gerne erfüllt wird. Obwohl wir keine Sammler sind, sind auch wir gespannt wir der Schiffspoststempel aussieht.
Position der „Meteor“:
53° 31,27 N
08° 10.48 E
Aurich / El Hierro. Nachdem wir sechseinhalb Wochen kein Land unter den Füßen hatten, war es am Montag, den 19. September, soweit, dass es für die „Meteor“ in den Hafen ging.
Morgens hielt es keinen länger als bis halb 7 in der Koje, da die Nachricht umging, dass wir bereits der Insel Curaçao sehr nahe seien. Nach dem Spurt zum Helideck blieben wir erst einmal erstaunt stehen. Wir waren Willemstad bereits so nahe, dass wir einzelne Autos sehen konnten. Wir staunten über Häuser, Bäume und Menschen. Nachdem der Lotse an Bord gekommen war, ging es schnell in den Hafen. Wir sahen das erste Mal seit Wochen andere Menschen als die Mitreisenden. Dunkelhäutige Kariben sprachen holländisch. Eine dem Plattdeutsch ähnliche Sprache unter der sengenden tropischen Sonne zu hören war eine sehr interessante Erfahrung. Einige freuten sich sehr, das erste Mal seit langem wieder Tiere mit vier Beinen sehen zu können. So wurden ein paar hagere Ziegen zur Attraktion. Doch das Anlegen in Willemstad hieß nicht nur neue Erfahrungen und Eindrücke sammeln, sondern bedeutete auch den Abschied vom Schiff.
Um 12 Uhr verließen wir unsere schaukelnde Heimat. Uns fiel es nicht leicht. Die „Meteor“ war sechs Wochen lang unser Zuhause gewesen und wir haben uns auf ihr immer sehr wohl gefühlt. Wir lernten viele interessante Menschen und ihre Arbeit in der Wissenschaft kennen. Sogar dem Wasserkranzschöpfer wurden wir so vertraut, dass wir ihn zärtlich „Rosi" nannten. Mit vielen „Meteor“-T-Shirts im Gepäck wünschten wir der Besatzung eine schöne Weiterreise und verließen das Schiff, um Platz für eine neue Forschungsgruppe zu machen. Das darauf folgende Hupkonzert der Taxifahrer machte uns klar, dass dies ein vorerst endgültiger Abschiedwar. Doch wir trauerten nicht lange, da viele spannende Erfahrungen auf uns warteten. Wie ist es, nach sechs Wochen mehr als fünf Meter geradeaus zu laufen? Wie ist es zu rennen?
Verabschiedung von der „Meteor" auf Curaçao. Foto: Privat
Man nahm viele neue Gerüche und Geräusche auf. Die Forschungsreise kam uns plötzlich wie ein ferner Traum vor. Am Abend fielen wir geschafft von den ganzen Eindrücken ins Bett und schliefen das erste Mal seit langem ohne ein gemütliches Schaukeln ein. Nach ein paar Tagen auf Curaçao bestiegen wir das Flugzeug Richtung Heimat. Nach einem anstrengenden Flug und einer Zwischenlandung in Amsterdam sahen wir Bremen unter uns. Wir wussten, dass sich kurz nach der Landung die Wege unserer Forschungsgruppe trennen würden. Doch der Trennungsschmerz war genauso groß wie die Freude, Familie und Freunde wieder zu sehen. Es gab viel zu erzählen, denn schließlich hat nicht jeder Schüler die Möglichkeit, sechs Wochen auf einem Forschungsschiff mitzufahren. Der Abschied von den Mitreisenden war schwer. Wehmütig erinnerte man sich an schöne Erlebnisse an Bord, dachte aber auch daran, wie sehr man sich immer darauf gefreut hatte, einmal lange schlafen zu können, Sport zu treiben und mit alten Freunden zusammen zu sein. Nachdem wir beschlossen hatten, uns bald wieder zu treffen, liefen wir nacheinander durch die Schranke, um unsere Familien zu begrüßen. Diese Fahrt war für uns ein ganz besonderes Erlebnis. Sie war mit nichts zu vergleichen, was man im normalen Alltag erleben kann. Es war nicht immer einfach, nach einem kurzen Schlaf auf engem Raum mit Menschen, die man kaum kennt zusammen zu sein.
Doch wir sind alle zusammengewachsen. Jeder hat sich selbst und auch die anderen etwas besser kennen gelernt.Wir haben die Erfahrung gemacht, wie es ist, im Schichtbetrieb zu arbeiten und auch außerhalb dessen mal mit anzupacken. Wir haben uns begeistert von der Wissenschaft mitreißen lassen und gemerkt, wie schwierig es ist, Strömungen und Veränderungen im niemals still stehenden Ozean zu messen. Wenn wir noch einmal gefragt würden, würden wir keine Sekunde zögern, noch einmal mitzufahren, aber dann bitte mindestens doppelt so lange.