Praktikum bei der ZEIT in Hamburg
vom 29. März bis zum 16. April 2004
Von Reemt Behrens und
Paul Ronzheimer
Die Wochenzeitung DIE ZEIT gilt als eine der wohl renommiertesten Blätter Deutschlands. Deshalb hatten wir uns ZEIT-Redakteure auch eher als „abgehobene Journalisten-Ikonen" vorgestellt, die den ganzen Tag schwarzen Kaffee trinken. Dass die Wirklichkeit anders aussieht, durften wir im Rahmen des Stipendiatenprogramms der Auricher Wissenschaftstage für drei Wochen in Hamburg erleben.
Mit journalistischen Erfahrungen aus lokalen Redaktionen (Heimatblatt bzw. Ostfriesische Nachrichten) ausgestattet, sollten wir nun den Alltag im Wissens-Ressort kennen lernen. Dass die Abläufe sich im Vergleich zur Lokalredaktion gewaltig unterscheiden, ist wahrscheinlich wenig verwunderlich: In kontroversen Konferenzen wird zunächst die Themenauswahl diskutiert. Trotz des Wochenzeitungs-Aspekts wird sehr viel Wert auf Exklusivität und Aktualität gelegt. Erstaunlich für uns: Sogar kleinste Meldungen (s. u.) werden nur nach Abwägung dieser Kriterien abgedruckt. Außerdem wird im Wissensressort auf eine gleichmäßige Verteilung auf die Bereiche Medizin, Technik, Archäologie und Bildung geachtet. Ein weiterer Aspekt bei der Auswahl ist, dass ein Thema möglichst nicht auch in einem anderen Ressort behandelt wird. Überschneidungen könnte es beispielsweise bei Bildungsfragen mit dem Politikteil geben. Wird ein Thema für gut befunden, nehmen sich die Redakteure mehrere Tage Zeit für das Schreiben des Artikels. Dieser wird dann mehrfach von anderen Kollegen redigiert und korrigiert – erst dann ist er reif für den Druck. Denn die wachsamen Leser der ZEIT bemerken jeden Rechtschreibfehler und nicht selten teilen beispielsweise Lehrer diese der Redaktion auch ohne zu zögern mit.
Obwohl die Redakteure durch ihre Arbeit zeitlich sehr in Anspruch genommen werden, nahmen sie sich sehr viel Zeit, uns alles bereitwillig und ausführlich zu erklären. Es war für uns eine überaus spannende Erfahrung, mit kompetenten und offenen Redakteuren ins Gespräch zu kommen, die auch an unserer Meinung stets interessiert waren. Oftmals haben wir auch Gespräche über grundsätzliche journalistische Themen geführt.
Wir durften jedoch nicht nur als interessierte Beobachter fungieren, es wurde uns auch die Gelegenheit gegeben, selbst journalistisch tätig zu werden: In den drei Wochen verfassten wir zahlreiche Meldungen für die Rubrik „Erforscht und Erfunden“, was sich durchaus als anspruchvolle Aufgabe darstellte. Im Internet recherchierten wir nach attraktiven wissenschaftlichen Neuigkeiten – oft auch in englischer Sprache. Diese mussten dann in einer verständlichen und knappen Form dem Leser nahe gebracht werden. Dabei durften wir auch nicht außer Acht lassen, dass die ZEIT einen hohen journalistischen Anspruch pflegt und die Texte deshalb auch „Nicht-Wissenschaftlern" gegenüber ansprechend präsentiert werden müssen.
Neben dieser Aufgabe widmeten wir uns auch Themen, die längerer Recherche bedurften. Wichtige Erfahrungen konnten wir außerdem in zahlreichen Sitzungen sammeln. Neben der oben beschrieben Ressort-Konferenz wiederholte sich jeden Freitag die „Große Konferenz" mit ZEIT-Redakteuren aus allen Ressorts, zu der oft prominente Gäste eingeladen wurden, um Blattkritik zu üben. Wir durften beispielsweise erleben, wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, Peer Steinbrück, recht kontrovers seine Meinung über die Zeitung und verschiedene Artikel der letzten Woche kundtat. Dabei fand natürlich besonders das Politikressort seine Beachtung. In der Layout-Konferenz wird mit der Grafik-Abteilung die Gestaltung der nächsten Ausgabe besprochen und evtl. Zeichnungen in Auftrag gegeben. Nur bei der ebenfalls wöchentlichen Ressortleiterkonferenz durften wir nicht teilnehmen.
Insgesamt waren wir während der drei Wochen insbesondere über das angenehme Arbeitsklima im wenig hierarchisch strukturierten Ressort angetan. Die überaus hohe journalistische Qualität der Zeitung hat uns beeindruckt. Der Wunsch nach einer journalistischen Tätigkeit im späteren Berufsleben hat sich durch das Praktikum sicherlich bestärkt.
Weitere unerwartete Erkenntnisse: Der Kaffee wird manchmal auch mit Milch getrunken – und einige Redakteure sind sogar begeisterte St. Pauli-Fans.