Azubi auf der Polarstern
Die vergangenen Tagen standen gänzlich im Zeichen des Kofferpackens – nicht nur für uns Auricher Schüler und die von Bord gehenden Wissenschaftler, die ihre Labors ausgeräumt und das wertvolle Forschungsmaterial für den Rücktransport verstaut haben. Auch für die beiden neunzehnjährigen Auszubildenden an Bord, Steffen Wanke und Lars Kruse, heißt es nach zwei Jahren nun Abschied nehmen von der Polarstern. „Eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker, wie wir sie absolvieren, beinhaltet neben Fahrzeit auf einem Schiff, in unserem Fall die Polarstern, halt auch das Drücken der Schulbank“, erklärt Steffen.
Mareike, Katharina und Markus mit den beiden Azubis Lars und Steffen
Und dieses Schulbankdrücken findet eben in Rostock statt, nicht in der Antarktis oder irgendwo sonst auf den Weltmeeren. Deshalb treten die beiden nun gemeinsam mit uns ihren Heimweg an. „Einerseits können wir es kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen, denn schließlich sind wir seit Oktober unterwegs und haben sogar Weihnachten und Sylvester auf See verbracht“, meint Lars. Andererseits würden sie ihr Leben auf der Polarstern schon vermissen. „Denn es sind tatsächlich zwei Leben, die man führt, wenn man zur See fährt“, findet Steffen.
„Und außerdem haben wir neben unserer, zugegeben manchmal ziemlich harten Arbeit in der Maschine oder an Deck, viel von der Welt gesehen.Wer kann schon von sich sagen, Gebiete wie die Arktis oder Antarktis gesehen zu haben?“, sind sich beide sicher, dass sie eine schöne Zeit auf der Polarstern verbracht haben – mit allen Höhen und Tiefen, die die Seefahrt ebenso wie das normale Leben mit sich bringt.
Angefangen hat die Ausbildung zum Schiffsmechaniker für die „Azubis der Polarstern" in Rostock bei der Laeisz Werft, wo sie nach einem Block Schulzeit, einen Lehrgang in Sicherheit und Metallbearbeitung absolvieren mussten.
„Danach flogen wir nach Kapstadt und am 14. März 2000 setzten wir das erste Mal einen Fuß auf die Polarstern“, erinnern sich Lars und Steffen genau an diesen Tag. Das Ziel der Reise, die ebenfalls unter biologisch, wissenschaftlichen Aspekten stand, war die Antarktis und die Neumayer-Station. „Ich hatte mich total auf die Reise gefreut, aber irgendwie haben mich diese ganzen neuen Eindrücke und die gewohnte Umgebung wohl etwas überfordert“, gesteht Steffen ein. „Es dauert eine Zeit, bis man sich eingearbeitet hat und sich daran gewöhnt hat, monatelang ohne Freunde und Familie zu leben“, stimmt auch Lars ihm zu.
Bereut hat es keiner von beiden, diesen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen zu haben. Im Gegenteil: „Es ist wahnsinnig interessant, was man in so einer Ausbildung, die einen durch die verschiedenen Bereiche des Schiffes führt, alles lernt“, resümiert Steffen. Denn anders als ein Kfz-Mechaniker, lernt ein Schiffsmechaniker nicht nur, wie die Maschinen funktionieren, sodern auch, wie ein Schiff zu steuern und festzumachen ist. „Am 1. Dezember im vergangenen Jahr durfte ich das Schiff sogar alleine in den Hafen steuern“, schwärmt Lars, der auch mit dem Gedanken spielt, Kapitän zu werden. „Nach Abschluß der Ausbildung werde ich auf jeden Fall Nautik studieren“, ist er fest entschlossen. Auch für Steffen ist die Ausbildung zum Schiffsmechaniker eher ein Sprungbrett zu der Position des technischen Wachoffiziers, als ein Karriereziel.
Ihre Berufchancen schätzen die beiden positiv ein. Ihre Zukunft sehen beide jedenfalls auf der See, auch wenn es manchmal schwer ist, so lange aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen zu sein. „Am meisten vermisst man die Normalitäten, wie Telefonieren oder Musik hören, die noch nicht vier Monate alt ist“, findet Lars. Auch das Grün von Bäumen scheint ihm jedes Mal intensiver, wenn er nach Hause kommt. „Das erste, was ich machen werde, ist ein Spaziergang durch den Wald, ein Telefongespräch führen und mit meiner Familie essen gehen“, plant Lars. Und auch Steffen weiß schon ganz genau, was er zurück in Rostock machen wird: „Am Freitag um 15 Uhr habe ich einen Friseurtermin – in Rostock“, lacht er und schließt den Deckel seines Koffers.
[Zu Tag 34 liegt kein Bericht vor.]
Wieder an Land
Beim Kofferpacken auf der Polarstern
Nachdem unsere Reise heute morgen mit der Polarstern zu Ende ging, wurden wir per Bus in das Hotel „Finis Terrae" gebracht, in dem wir auch schon die erste Nacht in Chile verbrachten.
Das war vor ungefähr einem Monat. Nach einer kleinen Pause auf unseren Hotelzimmern entschlossen wir uns schon am frühen Morgen, ein Pinguin-Kolonie zu besuchen, welche circa 60 km von Punta Arenas entfernt liegt. Zusammen mit Dr. Christine Siegert, Gert Zittlosen und Dr. Rüdiger Riehl machten wir uns auf den Weg dorthin.
90 Minuten dauerte unsere Fahrt durch Feuerland. Wir konnten währenddessen die steppenartige Landschaft Feuerlands bewundern.Weite Ebenen und ein Gebirgszug in der Ferne taten sich vor uns auf, als wir an unserm Ziel ankamen.Unterwegs konnten wir schon ein wenig Bekanntschaft mit den Einheimischen schließen, denn die Strauße waren sehr zutraulich und waren nicht davon beeindruckt als wir mit unserem Wagen neben ihnen hielten.
Besuch in der Pinguin-Kolonie bei Punta Arenas
Des weiteren sahen wir kleine fuchsähnliche Tiere, die sich nicht weit vom Straßenrand aufhielten. Obwohl das Wort Straße nicht ganz dem entsprach, auf dem wir fuhren. Lediglich eine Schotterpiste führte weitab ca. 20 km in die Ebene hinein, wo wir endlich unsere lang ersehnten Freunde antrafen. Kleine, niedliche Pinguine, die unser Herz im Sturm eroberten. Sie saßen zu hunderten verstreut in den Gräsern, oder waren gerade damit beschäftigt, ihr Loch im Sand auszuweiten. Einige dieser possierlichen Tiere waren fast am Ende ihrer jugendlichen Mauser angekommen und man konnte deutlich die restlichen Flaumteile über ihren Federn erkennen.
Sie versuchten sich manchmal gegenseitig diese Reste abzurupfen, um schnellstmöglich ins Wasser zu gelangen. Alle von uns waren begeistert und schossen etliche Fotos oder filmten sie in ihrer Umgebung. Man konnte sie sogar am Strand beobachten, wie sie langsam und gemächlich ins Wasser watschelten. Diese Frackträger waren wirklich wunderbar anzusehen. Es war natürlich nicht gestattet, die vorgesehenen Wanderwege zu verlassen, um nicht in ihr Terrain einzudringen.
Gelegentlich plusterten sie sich auf, ein Anzeichen von Angst und Stress, so dass wir uns gleich von ihnen entfernten, um sie nicht unnötig zu belästigen.
„Vielleicht beobachten sie uns ja auch und denken sich ihren Teil" sagte Christine Siegert, als wir uns allmählich wieder zum Ausgang begeben wollten. Vielleicht hatte sie sogar recht damit. Als wir wieder am Ausgangsort ankamen, blickten wir auf die vielen Schritte zurück die wir gemacht hatten und stellten einstimmig fest, dass es das Beste war, was wir machen konnten. Nach so einer langen Schiffsreise endlich wieder raus zu kommen und einfach nur andere Luft zu riechen und auf festem Boden zu laufen. Und diesmal mehr als nur zehn Schritte.
Sehr glücklich sind wir, dass wir bald wieder nach Hause zu unseren Familien dürfen, doch hätte niemand von uns etwas dagegen gehabt, wenn die Reise noch einige Wochen länger gedauert hätte. Denn gerade jetzt merken wir, wie sehr uns all die Dinge und Menschen an Bord uns ans Herz gewachsen sind. Vielleicht werden wir sie ja eines Tages wiedersehen …
Katharina Voigt