(Es gilt das gesprochene Wort)
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu den 16. Auricher Wissenschaftstagen 2005.
Besonders begrüße ich die Schülerinnen und Schüler und die anwesenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, denn diese beiden Gruppen sind der Kern der Auricher Wissenschaftstage, sie stehen im Zentrum, um sie dreht sich alles.
Der Kontakt zwischen ihnen, das gemeinsame Lernen von- und miteinander, das funktioniert hier in Aurich so hervorragend, dass die Wissenschaftstage in ihrem 16. Jahr fast als eine Selbstverständlichkeit erscheinen könnten.
Natürlich ist ein solcher Erfolg, vor allem wenn er über viele Jahre immer wieder neu erarbeitet werden will, alles andere als eine Selbstverständlichkeit: Er ist ein Produkt des kontinuierlichen, fleißigen und enorm sachkundigen Einsatzes der Organisatoren Josef Antony, Alexander Stracke und Wolfgang Völckner.
Sie haben sich selber einmal bezeichnet als eine „Initiative von Begeisterten, die angetreten ist, um andere zu begeistern“: Das war als Beschreibung Ihrer Tätigkeit gemeint – lassen Sie mich dieses Zitat heute als höchst anerkennende Beschreibung ihrer Arbeit verwenden.
Nicht vergessen will ich schließlich, dass die Auricher Wissenschaftstage auch einem Netzwerk von Unterstützern, Helfern und vor allem klugen Financiers zu verdanken sind. Ohne Ihren Einsatz wären Projekte wie das Stipendienprogramm der Wissenschaftstage nicht zu verwirklichen. Ihnen gilt mein besonderer Dank.
Die Auricher Wissenschaftstage sind als Projekt zwischen Schule und Wissenschaft ein echtes Vorbild für andere und ihrer Zeit weit voraus.
Man muss sich nur einmal anschauen: Wann hat die öffentliche Debatte zu diesem Thema begonnen und seit wann arbeiten die Wissenschaftstage?
So lautete noch 1998 das Resümee einer hochkarätig besetzten Fachtagung [Veranstalter: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft] „Führende Vertreter der Wissenschaft drängen auf konkrete Aktivitäten zur Verbesserung des Dialogs zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit.“ – da gab es bundesweit fast noch nichts auf diesem Gebiet. Aber gleichzeitig waren die Auricher Wissenschaftstage schon fast 9 Jahre aktiv!
Bevor also in einer breiten Öffentlichkeit über Wissenschaftstage, Wissenschaftssommer oder gar nur noch englisch über „Public Understanding of Science" gesprochen wurde, hatte man sich in Aurich bereits an die Arbeit gemacht. Heute ist es so, dass die hiesigen Organisatoren zu gefragten Rednern und Wegbereitern an anderen Orten geworden sind.
Ein solcher Erfolg hat sicherlich viele Ursachen, aber ich will aus meinen persönlichen Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern wie Organisatoren nur zwei nennen.
Die Auricher Wissenschaftstage haben ein ganz schlichtes Rezept: Sie setzen darauf, dass sie Menschen an einem Ort zusammen bringen und dann diese Menschen miteinander reden, diskutieren und arbeiten.
Dazu braucht es keine zusätzlichen Bürobauten, keine große Geschäftsstelle, nur die Bereitschaft zum Dialog bei allen Beteiligten. In der Fachsprache des Designs würde man sagen, hier wurde ein Gegenstand auf seine wesentlichen Linien reduziert. Wie wir wissen, ist das manchmal die attraktivste Form, die man sich denken kann.
Die Wissenschaftstage treten fast mit einem nordischen Understatement auf – das macht sie mir äußerst sympathisch.
Ein zweiter Grund: Hier schafft man es wirklich zu begeistern.
Und das durfte ich selber erleben: Als ich die Schirmherrschaft über die diesjährigen Stipendien übernahm – es ging um einige Arbeitswochen auf dem Forschungsschiff Meteor – stellten mir die beiden Stipendiaten – Jann Grahlmann (BBSII) und Gesa Vöhrs (Gymnasium Ulricianum) – ihr Arbeitsprogramm vor. Dabei ist mir wohl der Satz herausgerutscht, ich würde gerne tauschen: Sie werden Minister, ich darf auf das Forschungsschiff.
Leider hatte ich mit diesem Angebot nicht den Hauch einer Chance: Die Wissenschaft schien beiden wesentlich interessanter zu sein, als einige Wochen im Ministeramt!
Was nun wirklich spannender ist, lasse ich mal offen; sicher ist, dass hier zwei Jugendliche so von der Möglichkeit des naturwissenschaftlichen Arbeitens angetan und begeistert waren, wie man sich dies noch viel öfter wünscht.
Denn das immer stärker werdende Interesse an Konzepten zur Vermittlung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit hat ja einen mehr als ernsten Hintergrund:
Wir haben in den letzten Jahren erkannt, dass sie Chancen und Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik immer nur mit und nicht gegen die Gesellschaft zu nutzen sind.
Da ist es natürlich fatal, wenn Forscher und Wissenschaftler zuerst unter einen Generalverdacht gestellt werden. Ich will gar nicht den globalen Wettbewerb bemühen, da reicht schon ein kurzer Blick auf unsere westlichen oder nördlichen Nachbarn, um zu erkennen, dass man mit einer solchen Verweigerungshaltung Chancen vergibt.
Nehmen sie die Diskussion und die höchst bedenkliche Gesetzgebung zur grünen Gentechnik: Hier berauben wir uns selber immenser Möglichkeiten, die wir gerade in einem Land wie Niedersachsen mit einer weltweit erfolgreichen Saatgutproduktion nutzen könnten. Hätten mehr der heute Handelnden schon als Schülerinnen oder Schüler in den Labors der Universitäten und Unternehmen mitgearbeitet, dann würden sie sorgfältiger abwägen zwischen Risiken auf der einen, aber eben auch Möglichkeiten auf der anderen Seite.
Oder nehmen sie die populäre, um nicht zu sagen populistische Debatte zum Thema Nanotechnologie: Da existiert gerade in Deutschland eine enorm zukunftsfähige Forschung und dann wird auf dem Niveau billiger Science-Fiction-Filme dagegen zu Felde gezogen.
Ich kann daraus nur die Schlussfolgerung ziehen, dass das fortgesetzte Erklären, Erläutern und das Gespräch weiterhin dringend benötigt werden. Also genau das, was die Auricher Wissenschaftstage und mittlerweile mit Ihnen viele andere Initiativen in Niedersachsen und Deutschland leisten.
Denn es geht darum, das gesellschaftliche Verständnis von und für Wissenschaft zu fördern, damit die viel zitierte „Wissensgesellschaft“ keine „geschlossene Gesellschaft“ ist.
Wissenschaft wird zwar von Experten gemacht, aber deshalb muss sie noch lange keine „Geheimwissenschaft" sein. Wissenschaft und Gesellschaft müssen sich füreinander interessieren, miteinander reden und nicht nebeneinander her leben. Diesen Zustand können wir uns auch im Interesse der zukünftigen Entwicklung unseres Landes nicht leisten.
Daher ist gerade der Dialog und der Kontakt von Wissenschaftlern schon mit Kindern und Jugendlichen so wichtig. Es tut ja auch ganz gut, wenn sich Fachleute immer wieder überlegen müssen „Wie sag‘ ich‘s meinem Kinde“. Wenn man sich dabei anstrengt, dann kann man neugierig machen und „andere begeistern“. Nur auf diesem Weg ist es uns möglich, den dringend benötigten qualifizierten Forscher- und z. B. Ingenieurnachwuchs zu gewinnen.
Die Leistung der Auricher Wissenschaftstage – aber auch vieler anderer Einrichtungen, etwa des Experimentallabors für Schüler, des XLAB, in Göttingen – ist vor allem eine „Dienst-Leistung" für die Schülerinnen und Schüler.
Sie ermöglicht es Ihnen, eine sehr wertvolle, weil lebenslange Freundschaft mit der Wissenschaft zu schließen. Etwas wertvolleres kann man jungen Menschen nicht vermitteln. Die beiden Forschungsstipendiaten dieses Jahres sind der beste Beweis dafür.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass dies auch mit den 16. Auricher Wissenschaftstagen 2005 wieder gelingen wird.
Daher wünsche ich uns allen spannende Vorträge, dialogbereite Referenten und vor allem – viele Begeisterte.
[URI der Fundstelle: http://www.mwk.niedersachsen.de/master/C14910576_N1896913_L20_D0_I731.html]