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Auricher Wissenschaftstage –
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„Ein Kuss schmeckt eben auch in einer Diktatur“

Schüler des Ulricianums zu Besuch beim DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer

Foto vom Gespräch mit Friedrich Schorlemmer, 13 k

Der DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer (2. v. r.) empfing die Ulricianer Kilian Tuschling, Volko Krull, Dana Oltmanns und Julia Reiners (v. l. n. r.) in seiner Witten­berger Wohnung.

Im Rahmen der Auricher Wissenschaftstage besuchten Schüler des Ulricianums den DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer in seiner Heimatstadt Lutherstadt-Wittenberg (Sachsen-Anhalt). Der ehemalige Pastor war Mitglied der oppositionellen Friedens- und Menschenrechtsbewegung in der DDR. Besonderes Aufsehen erregte Schorlemmer, als auf dem Kirchentag 1983 unter seiner Verantwortung Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet wurden, obwohl DDR-Behörden den öffentlichen Gebrauch des Slogans „Schwerter zu Pflugscharen“ für illegal erklärt hatten.

Am 21. September empfing der Theologe die Schülerinnen Dana Oltmanns, Julia Reiners sowie die Abiturienten Kilian Tuschling und Volko Krull in Begleitung der Geschichtslehrer Ulrich Glorius und Ralf Jansing im Wohnzimmer seiner Wittenberger Altbauwohnung. Hier hatten die Schüler die Möglichkeit, Schorlemmer ausgiebig zu seiner Vergangenheit als Bürgerrechtler, zur Bespitzelung durch die Staatssicherheit, aber auch zu aktuellen Geschehnissen der Weltpolitik zu befragen.

Eindrucksvoll berichtete Schorlemmer davon, dass er bereits als 14-Jähriger von der Stasi überwacht und während seines Theologiestudiums sogar von engen Freunden bespitzelt wurde. Beim Einblick in seine Stasi-Akten erfuhr er, dass ihm das Ministerium für Staatssicherheit als „OV (Operativer Vorgang) Johannes“ den strengsten Observationsmodus zugeteilt hatte und somit seine Wohnung abhören und selbst seinen damals 16-jährigen Sohn überwachen ließ.

Trotz der massiven Überwachung und aller Repressionen, die Schorlemmer erlebten musste, betonte er dennoch, dass das DDR-Regime auch Raum für privates Glück ließ: „Ein Kuss schmeckt eben auch in der Diktatur“, sagt Schorlemmer mit einem verschmitzten Lächeln. Die Schüler zeigten sich beeindruckt von Schorlemmers Schilderungen. „Das, was man im Geschichtsunterricht über die DDR gelernt hat, kann man nun viel besser verstehen“, so Kilian Tuschling. Im Anschluss an das Interview besuchten die Schüler eine Lesung Schorlemmers im Wittenberger Cranach Haus, bei der er seine neu erschienene Biographie „Klar sehen und doch hoffen – Mein politisches Leben“ (erschienen im Aufbau-Verlag) vorstellte.

Im Rahmen der Auricher Wissenschaftstage berichteten die Schülerinnen Dana Oltmanns und Julia Reiners am 20.02.2013 im Güterschuppen des Ulricianums vom Gespräch mit Friedrich Schorlemmer und präsentierten Interviewauszüge.

Bericht und Foto: Ulrich Glorius

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