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Auricher Wissenschaftstage –
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Artikel in der Ostfriesen-Zeitung vom 20. Februar 2017, S. 11 [1]

Einblicke in das Selbstverständnis der Populisten

POLITIK FAZ-Mitherausgeber hielt bei den Auricher Wissenschaftstagen einen Vortrag

Jürgen Kaube betonte dabei die Bedeutung von charismatischen Persönlichkeiten.

Von Günther Niet

Foto von Jürgen Kaube bei seinem Vortrag auf den 27. Auricher Wissenschaftstagen, 15 k

Jürgen Kaube ist Mit­her­aus­geber der FAZ. (Bild: Niet)

AURICH - Gibt es eine wertneutrale Definition, eine Art Sammelbezeichnung für die populistischen Strömungen in Europa und den USA? Dieser Frage ging der Journalist und Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Jürgen Kaube, am Donnerstagabend in seinem Vortrag „Populismus und Charisma – die Theorie Max Webers“ bei den Auricher Wissenschaftstagen nach. Der Begriff Populismus sei in der gegenwärtigen Diskussion sehr polemisch besetzt und werde als konträr zu „populär“ gesehen.

Anschauungsunterricht für populistische Gruppierungen und Personen in Europa habe es lange vor der AfD gegeben, sagte Kaube und nannte als Beispiel Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia und die Lega Nord in Italien; aber auch die FPÖ in Osterreich und Geert Wilders in den Niederlanden müssten genannt werden.

Sie alle nutzen nach Kaubes Worten die Wahl als Instrument, um dieses System dann infrage zu stellen. Populisten fühlten sich überall als die wahren und einzigen Vertreter des ganzen Volkes und nähmen somit für sich in Anspruch, allein im Parlament vertreten zu sein.

Die bisherigen Parteien würden als „Verräter“ des Volkes betrachtet, erläuterte der Sozialwissenschaftler in seinen anfangs etwas holprigen Ausführungen, die sich dann aber zu einem informationsreichen, pointierten und unterhaltsamen Vortrag entwickelten. Populisten wie Donald Trump folgten der Logik des Antipluralismus, wetterten gegen den bestehenden Machtapparat, prangerten eine für sie zur Routine erstarrte Politiktechnokratie mit Gewaltenteilung, Gutachten und Experten an, die sich immer mehr vom Volk und deren Interessen entfernt habe.

Medien, Gerichte, Journalisten und auch Unis würden als Feinde des Volkes eingestuft und der Lüge und Manipulation bezichtigt, führte der FAZ-Herausgeber weiter aus. Durch Dramatisierung und Emotionalisierung von Krisen und Problemen habe Trump die Gunst seiner Wählerschaft erhalten.

Dabei spielt nach Kaube der Begriff Charisma eine bedeutende Rolle, den der Soziologe Max Weber bei seiner Analyse von Herrschaftsformen im 19. Jahrhundert mit ins Spiel gebracht habe.

Nach Weber funktioniere der pauschale Gehorsam der Beherrschten nur, wenn die Politiker ungewöhnliche Qualitäten, also Charisma besäßen. Sei ein Politiker erfolgreich, traue er sich etwas, packe er Probleme an, dann sei er beliebt und werde stets als ganze Person pauschal wahrgenommen und geliebt, trotz möglicher Schwächen, Skandale und privater Verfehlungen. Die würden dann ausgeblendet. Trump würde er allerdings nicht als charismatisch bezeichnen, betonte Kaube. „Der ist für mich eher krass – als Person und als Politiker.“

Zu Beginn der Veranstaltung hatte die Gymnasiastin Tabea Kampen vom Ulricianum über ihr Praktikum bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtet.

Anmerkung

[1]

Eine E-Paper-Version des Artikels ist ebenfalls verfügbar.

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