Artikel der Ostfriesen-Zeitung vom 29. August 2011, S. 13 [1]
Claudia Kemfert trägt sich ins „Goldene Buch“ der Auricher Wissenschaftstage ein. (Foto: Niet)
AURICH / NI - Um ein aktuelles Thema mit starkem regionalen Bezug ging es am Freitagabend bei einer Veranstaltung der Auricher Wissenschaftstage. „Die wirtschaftlichen Chancen einer klugen Energiewende“ lautete der Titel des Vortrags, den die renommierte Ökonomin und Energieexpertin Prof. Dr. Claudia Kemfert im Güterschuppen hielt.
Zuvor hatte sich die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus erster Hand berichten lassen, wie weit Ostfriesland mit der Umsetzung der Energiewende bereits fortgeschritten ist. Sie sprach mit Landrat Walter Theuerkauf und Simon Wobben vom Windanlagenhersteller Enercon. Auch in ihrem Vortrag nahm die 43-Jährige, die in Delmenhorst geboren wurde und in Oldenburg studiert hat, gelegentlich Bezug auf Aurich.
„Wir brauchen eine klimaschonende, sichere und bezahlbare Energieversorgung“, forderte Kemfert, die unter anderem die Bundesregierung in Energiefragen berät. Das erfordere den stetigen Ausbau der Alternativen zu Atom und Kohle.
Das gesetzte Ziel der Regierung, bis 2020 den Kohlendioxid-Ausstoß um 40 Prozent zu vermindern, hielt die Wirtschaftswissenschaftlerin für unrealistisch. „Das ist nicht machbar“, sagte sie.
Der Weg zu einer alternativen Energieversorgung erfordere eine lange Reihe von Entscheidungen. Dabei dürfe der Gesamtblick nicht verloren gehen, betonte die Professorin. Außer den Atomkraftwerken gingen in den nächsten Jahren viele veraltete Kohlekraftwerke vom Netz. „Dies muss in einer Veränderung des Energiemix und durch Einsparungen aufgefangen werden“, erläuterte Kempfert. Mit garantierten 93 Gigawatt Leistung sei die Stromversorgung in Deutschland dennoch gesichert, sagte die Expertin: „Die Lichter werden bei uns nicht ausgehen.“
Aus ökonomischer Sicht habe der Ausbau der erneuerbaren Energie klare Vorteile: Wertschöpfung vor Ort und mehr Arbeitsplätze, wie man ja in Aurich beobachten könne, so die Wissenschaftlerin. Besonders dem Mittelstand böten sich durch die gesamte Klimaschutztechnologie enorme Chancen. Die dezentrale Energieversorgung werde die großen Konzerne vom Markt drängen. „Die kommunalen Energieversorger werden die Gewinner der Energiewende sein“, prophezeite Kemfert. Bei den Strompreisen müsse man sich zwar auf Preissteigerungen einstellen, die würden aber längst nicht so hoch ausfallen, wie immer wieder behauptet, beruhigte die Wissenschaftlerin das Publikum.
Zu Beginn der Veranstaltung hatten Josina Bohlen und Rieke Themann, zwei Stipendiaten der Wissenschaftstage, über ihre Praktika in der Biologischen Anstalt Helgoland berichtet.
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