Artikel der Ostfriesen-Zeitung vom 21. Februar 2011, S. 15 [1]
Von Günther Niet
John-Dylan Haynes (Foto: Niet)
AURICH - „Ich glaube, ich habe alles verstanden“. Hinrich Ernst von der Sparkasse Aurich/Norden zog damit nicht nur ein persönliches Resümee am Ende der Auftaktveranstaltung zu den 21. Auricher Wissenschaftstagen am Freitagabend in der Kundenhalle der Auricher Sparkasse, er wollte es auch als Kompliment verstanden wissen für den Vortrag des Berliner Gehirnforschers John-Dylan Haynes. Der sprach zum Thema „Wer entscheidet, wie die Welt ins Bewusstsein gelangt?“ Locker, leger und auch unterhaltsam verstand es der Wissenschaftler vom Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin, die doch recht komplexe und schwierige Thematik des „Gedankenlesens“ in der Hirnforschung für die rund 400 Zuhörer verständlich und transparent aufzubereiten. „Melden Sie sich, wenn ich wissenschaftlich zu sehr abhebe“, ermunterte der 41-jährige Professor denn auch das Publikum gleich zu Beginn seines Vortrages. Haynes zeigte sich selber so begeistert von der Resonanz auf seinem Vortrag, dass er für seine Liebe daheim um ein Foto vom Publikum bat.
Professor Haynes untersucht mit seinem Team die Sprache des Gehirns. „Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir eine Entscheidung treffen. Wie kann man die Gedanken eines Menschen aus seiner Hirnaktivität ableiten?“
Aufgrund von Experimenten und Datenanalysen habe man nachweisen können, dass „unser Gehirn bereits sieben Sekunden vor einer bewussten Entscheidung aktiv wird und die Entscheidung bereits gefällt hat“, formulierte Haynes das Ergebnis der bisherigen Forschung. Das Gehirn bereite die Entscheidung vor, das Bewusstsein „hinke“ scheinbar hinterher. Hier gehe es aber nur um reaktive Entscheidungen des Menschen, nicht um spontane oder lang vorbereitete Entschlüsse.
Mit Hilfe der Kernspintomographie könne man bei den Probanden das Gehirn und dessen Aktivitäten bildlich darstellen und die Reaktionen des Gehirns auf bestimmte Reize und Veränderungen im Bewusstsein analysieren. Das Gehirn habe eine Vielzahl von Aktivitätsmustern, die charakteristisch seien für verschiedene mentale Zuständen wie Bewusstsein, Absicht oder Aufmerksamkeit.
Durch Untersuchungen habe man bewiesen, dass man auch verdeckte Gedanken und sogar das Schummeln aus den Hirnaktivitäten herausgelesen werden könne. „Die Aktivierungsmuster des Gehirns machen menschliche Gedanken hochgradig vorhersagbar“, so der Hirnforscher in seinem Vortrag in der Auricher Sparkasse. Man müsse letztlich dafür nur eine Mustererkennungssoftware einsetzen, um zu den Aktivitäten des Gehirns die dazu gehörigen Gedanken zu erspähen, erläuterte der gebürtige Brite seine Arbeit. Eine Gedanken-Lesemaschine wie in Zukunftsfilmen stehe der Wissenschaft dabei nicht zur Verfügung.
Dennoch gebe es viele nützliche Anwendungsbereiche wie zum Beispiel bei der Steuerung von Prothesen.
Eine E-Paper-Version des Artikels ist ebenfalls verfügbar.