Logo der Berufsbildenden Schulen 2 Aurich

Auricher Wissenschaftstage –
Forum einer dritten Kultur

Logo des Ulricianums

Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 4. März 2019, S. 3 [1]

Auswirkungen eines prägenden Jahres

Wissenschaftstage Aurich mit Vortrag „Zeitenwende 1979“

Von Joachim Mittelstaedt

Foto von Prof. Dr. Frank Bösch während seines Vortrags bei den 29. Auricher Wissenschaftstagen, 16 k

Prof. Dr. Frank Bösch leitet das Zen­trum für zeithistorische Forschung in Potsdam. (Fo­to: Mittelstaedt)

Aurich. Ein Vortrag zum Thema „Zeitenwende 1979“ fand im Rahmen der Wissenschaftstage im Güterschuppen in Aurich statt. Professor Dr. Frank Bösch, Historiker und Leiter des Zentrums für zeithistorische Forschung in Potsdam, stellte seine Forschungen vor. Sein gleichnamiges Buch mit dem Untertitel „Als die Welt von heute begann“ ist gerade erschienen und stand im Februar auf Platz eins der Sachbuch-Bestsellerliste. Der Referent präsentierte das Ergebnis seiner umfangreichen Forschungen in Archiven und seiner zahlreichen Interviews mit Zeitzeugen. Das Ziel: Die jüngere deutsche Geschichte im Bezug zu Entwicklungen an anderen Orten der Welt einzuordnen. Dazu gehörten etwa der Einmarsch der Sowjets in Afghanistan, die Revolution im Iran und die Rückkehr Chomeinis aus dem französischen Exil sowie die Wahl von Johannes Paul II zum Papst. Auch die Flucht vieler Vietnamesen, bekannt als „Boat-People“, eine zweite Ölkrise und der Unfall in einem Atomkraftwerk in den USA datieren in diese Zeit.

Der Nato-Doppelbeschluss sowie die „Macht des Marktes“ und die damit verbundenen Deregulierungen in der Wirtschaft, zunächst vor allem propagiert von Margaret Thatcher, entwickelten sich um 1979.

Frank Bösch sagte: „Insgesamt gelten die 70er-Jahre als ein Krisenjahrzehnt.“ Man habe in dieser Zeit gemerkt, dass sich viele sicher geglaubte Erkenntnisse schnell veränderten. Das sei auch durch die Entwicklung der Medien mit satellitengestütztem Live-Fernsehen unterstützt worden. Es entstand das Gefühl, an vielen Krisenorten direkt dabei zu sein. So könne man seitdem quasi in jedem Wohnzimmer sehen, „wie sich Geschichte auf der ganzen Welt vollzieht.“

An vielen Stellen wurde wahrgenommen, dass die Entwicklung so nicht weitergehen dürfe. Was folgte, war eine große Friedensbewegung, die erste Weltklimakonferenz in Genf und der Beginn der Energiewende. Auch in die damalige DDR und den gesamten Osten strahlten diese Entwicklungen aus. „Schwerter zu Pflugscharen“ als ein Symbol der ostdeutschen Friedensbewegung entwickelte sich. Auf beiden Seiten ging es nun darum, keine Atomraketen, weder in Ost noch in West, zu akzeptieren.

Die Entwicklungen und die Akteure ließen sich immer weniger in Schubladen pressen. Auch die Kirchen nahmen zunehmend ihre Verantwortung bei dieser Entwicklung ernst. Deutlich zu sehen gewesen sei dies etwa auf den politischen Kirchentagen und bei der Unterstützung von Demokratiebewegungen in Polen. An vielen Stellen wurde deutlich, dass die Welt näher zusammengerückt war und viele Entwicklungen sich immer mehr gegenseitig beeinflussen. Ob all dies mit den derzeitigen populistischen Entwicklungen zu Abgrenzung und Nationalstaatlichkeit gelöst werden könne, müsse man in Frage stellen.

Vor dem Vortrag von Bösch stellten zwei Schülerinnen des Ulricianums, Constanze Rudolph und Alina Ottersberg, ihr Praktikum am Zentrum für Kernforschung (CERN) in Genf vor. Dort beschäftigen sich Wissenschaftler aus den 22 Mitgliedsländern mit Grundlagenforschung. Es gehe darum, Materie zu untersuchen und Erkenntnisse zum Zustand während des Urknalls zu gewinnen. Dazu würden etwa Experimente in sogenannten Teilchenbeschleunigern durchgeführt. Ein Gründungsziel sei es 1953 gewesen, „Wissenschaft für den Frieden“ zu betreiben.

Anmerkung

[1]

Eine E-Paper-Version des Artikels ist ebenfalls verfügbar.

[Zurück zum Text]

Neues | Seitenanfang