Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 20. Februar 2019, S. 4 [1]
Von Karin Böhmer
Prof. Markus Arndt (Foto: Mair)
Aurich. Fragende Blicke sind einem Nanoquantenforscher bei Vorträgen wahrscheinlich sicher. Doch Prof. Markus Arndt von der Quantum Nanophysics Group der Universität Wien erntete mit seinem anschaulichen und komplexen Vortrag bei den Auricher Wissenschaftstagen am Montag auch so manchen Lacher.
Es mag auch ungläubiges Lachen darunter gewesen sein, denn Arndt erläuterte, warum die hamletsche Frage „Sein oder nicht Sein?“ in der Quantenphysik nicht gestellt werden muss. Gegen alle Alltagslogik ist bei sehr kleinen Teilchen nämlich beides möglich: Zu sein und nicht zu sein zur gleichen Zeit.
Arndt begann seine Ausführungen dort, wo ihm die Zuhörer noch verlässlich folgen konnten: Bei Einstein, Planck, de Broglie und den Anfängen der Quantenphysik. Er verdeutlichte, dass die Welleneigenschaften von Teilchen unter bestimmten Laborbedingungen experimentell problemlos zu beweisen sind. Dass das Teilchen während seines Fluges in der Apparatur keinen Ort habe, sei ein bisschen gruselig, wie Arndt sagte. Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Buchstabe Psi das Symbol sowohl für den quantenmechanischen Zustand eines Teilchens als auch für übersinnliche Phänomene ist.
Anders als man von Nanophysikern meinen könnte, strebt Arndts Forschungsgruppe nicht danach, immer kleinere Teilchen zu untersuchen. Der Ehrgeiz der Wiener Wissenschaftler liegt darin, die Quanteneigenschaften immer größerer Teilchen nachzuweisen. So ist es beispielsweise gelungen, experimentell zu zeigen, dass Beta-Carotin-Moleküle Quanteneigenschaften besitzen – sich also wie dislozierende Teilchen verhalten, bei denen nicht sicher gesagt werden kann, an welchem Ort sie sich gerade befinden. Mit Animationen zeigte Arndt, was dabei experimentell zu beachten ist und wie sich die Apparatur mit zunehmender Teilchengröße verändert. Der Nanophysiker ist auch Weltrekordhalter: Seiner Gruppe gelang der Nachweis, dass sogar Moleküle mit 810 Atomen (C284H190F320N4S12) unter geeigneten Laborbedingungen Quanteneigenschaften aufweisen. Nun wird in Wien daran gefeilt, für Moleküle wie Insulin, Cytochrome (Zellfarbstoff), Viren und Antibiotika den Welle-Teilchen-Dualismus nachzuweisen.
Dass erkenntnistheoretisch die Quantenphysik noch nicht bis zum Ende durchdrungen ist, stellte Arndt nicht in Abrede: „Wir wissen, dass wir nichts wissen – und das ist doch sehr erfrischend.“ Warum die Quantenwelt anderen Regeln zu gehorchen scheint als die von Menschen direkt wahrnehmbare Realität, erklärte Arndt: Zum einen funktioniert Quantenforschung nur im Hochvakuum, das nicht uneingeschränkt erzeugt werden kann. Die Gravitation spielt für die Messbarkeit ebenfalls eine Rolle, weshalb einige Forscher am liebsten auf Satelliten experimentieren würden. Und: Die Apparatur muss umso größer sein, je größer der untersuchte Molekülzusammenschluss ist. Wer einem Ferrari Welleneigenschaften nachweisen will, muss laut Arndt eine Apparatur bauen, die billionenfach so großwäre wie das Universum.
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