Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 18. Februar 2019, S. 4 [1]
Von Joachim Mittelstaedt
Der Tübinger Prof. Dr. Matthias Bethge sprach in Aurich über neuronale Netze. (Foto: Mittelstaedt)
Aurich. Es ist vertrackt. Einerseits können Computer vieles, was uns schwerfällt, zum Beispiel komplizierteste Rechenoperationen ausführen. Andererseits jedoch scheitern sie an einfachsten Dingen, die selbst kleine Kinder problemlos meistern, wie das Bauen von Türmen aus Bauklötzchen. Wie soll man aus so etwas eine Künstliche Intelligenz schaffen?
Mit der Frage beschäftigt sich Professor Dr. Matthias Bethge von der Eberhardt Karls Universität Tübingen. Seinen Vortrag über künstliches Lernen und neuronale Netze verfolgten am Freitagabend etwa 190 Zuhörer im Auricher Güterschuppen. Der Vortrag war Teil der „Auricher Wissenschaftstage“.
Um Entwicklungen für Maschinen zu ermöglichen, nutze man „neuronale Netze“, so Bethge. Letztlich gehe es dabei um Lernprozesse von Maschinen, die der Steuerung eines Teils des Nervensystems nach biologischen Vorbildern nachgebildet sind. Ein künstliches System, zum Beispiel ein Computer, „lernt“ dabei an Beispielen, wie etwa an verschiedenen Bildern und erkennt darin Muster. Diese Muster, das sei das Ziel, soll eine Maschine dann für allgemeine Prozesse, etwa in der Produktion, einsetzen können.
Aber das hört sich einfacher an, als es tatsächlich ist. Matthias Bethge stellte an vielen Beispielen dar, dass schon kleinste Veränderungen von Bildern bei Maschinen dazu führen, dass eine völlig andere Aussage dabei herauskommt. Da wird aus einer Katze dann trotz unerheblicher Änderung des nächsten Lernbildes ein Vogel Strauß. Also sei noch viel Forschung nötig, um mit immer besseren Lernfortschritten immer schnellere Erfolge zu erzielen: „Wir brauchen noch viel Veränderungsintelligenz für die Zukunft. Da gibt es noch viel zu tun.“ Die Entwicklung gehe jedoch rasend schnell. Man sei allerdings noch weit davon entfernt, dass Maschinen ein Bewusstsein erlangen.
Bevor der Referent mit seinem Vortrag begann, stellten zwei Schülerinnen, Laureen Dreesch vom Ulricianum und Jule Detmers von den BBS II, in einem kurzen Beitrag vor, was sie im Rahmen eines dreiwöchigen Praktikums in Mexiko erlebt hatten. Die Hospitantinnen waren dort bei einer Forschungseinrichtung des „Instituts für Gewässerökologie“ (IGB) des Berliner Leibnitz Instituts tätig. In der Hauptsache forschten die jungen Frauen in Mexiko an zwei Fischarten und untersuchten deren Verhalten bei Angriffen von Vögeln. Um die Angriffe abzuwehren, erzeugt der Fischschwarm kleine Wellen, die den Fressfeinden die Sicht nehmen. Für Jule Detmers ist nach diesem Praktikum klar: „Ich möchte später Biologie studieren.“
Bethge lobte die Organisatoren der Auricher Wissenschaftstage, die solche Hospitationen ermöglichen. „Ich habe den Eindruck, dass wir durch ihr Projekt schon wieder zwei neue Kolleginnen für die Wissenschaft gewonnen haben.“
In einer kurzen Fragerunde am Ende von Bethges Vortrag gab es zahlreiche Anmerkungen zum Gehörten. Besonders die ethische Frage nach den Handelnden bei der Forschung der Künstlichen Intelligenz beschäftigte das Publikum. Ob es so sei, dass der Mensch als Steuerer und Eingeber bei der Entwicklung von KI immer der Handelnde sei? Momentan sei das so, antwortete Bethge: „Ob das aber auch für die Zukunft gilt, da bin ich skeptisch.“
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