Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 2. März 2018, S. 6 [1]
Von Joachim Mittelstaedt
Professor Marcus Junkelmann (rechts) erläutert eine Kampfposition. (Foto: Mittelstaedt)
Aurich. Geschichte durch erleben begreifen – das will Professor Dr. Marcus Junkelmann. Junkelmann ist experimenteller Archäologe, ein „Willi wills wissen“ der Geschichtsforschung. Der Historiker gräbt keine alten Tonscherben aus, putzt und katalogisiert sie. Er zieht lieber eine Rüstung an, um am eigenen Leibe zu erfahren, wie sich das Leben als römischer Legionär anfühlt, wo es zwickt und zwackt. Und wie man als Legionär gerüstet über die Alpen kommt. Das hat er 1985 gemacht, kam damit ins Fernsehen und schrieb darüber Bücher. Am Dienstagabend berichtete er vor etwa 250 Zuhörern im Auricher Güterschuppen von seinen Erlebnissen, wobei er einiges an Anschauungsmaterial dabei hatte.
Die Moderation des Abends übernahmen die Schüler Konstantin Musolf und Jonas von Lilienfeld-Toal. Sie hatten im letzten Sommer ein archäologisches Praktikum in Ligurien absolviert und bei Ausgrabungen einer Sommersiedlung, die Grabungsstätte datiert etwa 100 vor Christi, teilgenommen. Stolz erklärten die beiden jungen Männer, dass sie bei dieser Arbeit einen alten Mahlstein gefunden hätten. Nach einigen Informationen über ihr Praktikum leiteten die Schüler über zum Hauptvortrag von Junkelmann.
Der Wissenschaftler machte sich seit 1984 als freier Militärhistoriker und experimenteller Archäologe einen Namen. Mit anderen Interessenten rekonstruierte er Waffen und Ausrüstung römischer Legionäre und testete diese im praktischen Experiment. Eine dieser Aktionen, sie fand im Jahre 1985 aus Anlass der 2000-Jahr-Feier von Augsburg statt, wurde überregional bekannt und im Fernsehen und in zahlreichen Veröffentlichungen dokumentiert. Dabei ging der Historiker mit sieben Mitstreitern, eng angelehnt an die Methoden und die Ausrüstung der römischen Infanterie, in einer Art Feldzug über die Alpen. Start war in Verona. Über Trient und den Brenner zog das kleine Heer in originaler Kleidung und Ausrüstung bis nach Augsburg.
Täglich seien sie damals etwa 25 Kilometer marschiert, es habe 21 Marsch- und drei Rasttage gegeben. Anhand zahlreicher Dias erklärte Junkelmann ausführlich, wie dieser Marsch ablief und welche Vorteile und auch Probleme mit der Ausrüstung der römischen Soldaten verbunden waren. Zwischendurch wurden zahlreiche mitgebrachte Ausrüstungsgegenstände, Helme, Schild und Waffen, präsentiert. Ein Mitarbeiter zeigte dabei sehr anschaulich, wie diese Ausrüstung getragen wurde und auch, wie sich die Legionäre schützten und kämpften.
Wegen des „gewaltigen Medienechos“, das der Marsch hervorrief, sei es nicht immer leicht gewesen, sich authentisch wie ein Mitglied der römischen Infanterie zu ernähren. Immer wieder, so Junkelmann, kamen Einladungen von Universitäten und Bürgermeistern dazwischen, die man schlecht ablehnen konnte. Wenn die Infanterie-Gruppe mal auf Straßen unterwegs war, habe es den einen oder andern Auffahrunfall gegeben. „Aber“, so der Referent, „uns ist nichts passiert.“
Nach diesem historischen Experiment beschäftigte sich Marcus Junkelmann ab 1988 auch mit der römischen Kavallerie. Hier rekonstruierte er in „Limesritten“, zwischen Nordsee und Donau, ebenfalls die antiken Ausrüstungsgegenstände sowie die historischen Reitweisen. Auch darüber berichtete der Wissenschaftler ausführlich in seinem Vortrag.
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