Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 19. März 2016, S. 7 [1]
Von J. Mittelstaedt
Der Münchner Professor Ulrich Pfisterer sprach in Aurich über „Die Erotik der Macht“. (Foto: Mittelstaedt)
Aurich. Um die „Erotik der Macht“ ging es am vorigen Montag im Auricher Güterschuppen. Der Münchener Kunsthistoriker Prof. Ulrich Pfisterer war zu Gast bei den Auricher Wissenschaftstagen. Er zeigte den etwa 100 Zuhörern, dass es den Mächtigen in der Politik seit Jahrhunderten darum geht, ihre „herrscherliche Potenz darzustellen“ – bis heute.
Pfisterer eröffnete seinen Vortrag mit einem Kolossalgemälde des Wiener Malers Hans Makart. Das Bild, in den gewaltigen Ausmaßen von etwa fünf mal zehn Metern wurde 1878 gemalt und hängt seit 1881 als größtes Gemälde in der Hamburger Kunsthalle. Es zeigt den „Einzug Kaiser Karls V. in Antwerpen“ im September 1520. Im Bild unter anderem: Mehrere junge Frauen, die den Kaiser nackt begrüßen. Es sei den Herrschenden und den Künstlern darum gegangen, durch „Nacktheit Skandal zu erzeugen“ und damit die „herrscherliche Potenz darzustellen“. Denn das zeigte die Macht von Herrschern und Eroberern auf. Diesen Zusammenhang stellte Pfisterer an vielen sehr unterschiedlichen Bildern und Skulpturen dar. Natürlich sei auch oft männliches Macho-Gehabe mit den Darstellungen verbunden.
Wichtig sei den Herrschenden auch die Darstellung von „Attraktivität“ gewesen. Jugendlichkeit und ein schöner Körper sei ein wichtiges Kriterium in den gewünschten oder in Auftrag gegebenen bildlichen Darstellungen. Oft hatte man bei den Bildern oder Skulpturen den Kopf des jeweiligen Herrschers auf den perfekten Körper einer anderen Person gesetzt. So wurden also die Maler oder Bildhauer mit ihren künstlerischen Fähigkeiten von den Mächtigen benutzt. Pfisterer zeigte auch auf, dass die sehr unterschiedlichen Bilder ein hohes Maß an Interpretationen, Bewertungen und Sichtweisen ermöglichen.
Sehr deutlich, so Pfisterer in seinem kunsthistorischen Vortrag, sei aber zu erkennen, dass die Mächtigen Erotik, Jugendlichkeit und Schönheit immer wieder gezielt eingesetzt hätten.
Auch heute werde dieser Mechanismus gerne genutzt. Das verdeutlichte der Professor mit einem Foto von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der sich mit freiem Oberkörper auf dem Rücken eines Pferdes fotografieren ließ. Und Pfisterer ergänzte: Auch US-Präsident Barack Obama lasse sich gerne als aktiver und „jugendlicher“ Jogger fotografieren, obwohl er diese Sportart wohl eher nicht regelmäßig ausübe.
Zuvor hatten Thomke Exner und Karen Hochmuth, zwei junge Frauen aus der BBS II, ihr im laufenden Schuljahr abgeleistetes Praktikum vorgestellt. Die beiden waren im kunsthistorischen Max Planck Institut in Florenz tätig. Dort sind etwa 70 Wissenschaftler beschäftigt. Das Institut verfügt über 360 000 seltene Bücher. In der Hauptsache sind die beiden Praktikanten mit Recherchearbeit befasst gewesen. Sie mussten Bücher heraussuchen oder einsortieren und Sekretariatsarbeiten erledigen. An Wochenenden waren Touren nach Pisa und Rom möglich. Nach der Schule will Thomke Exner für ein Jahr nach Russland, Karen Hochmuth möchte in Groningen studieren.
Eine E-Paper-Version des Artikels ist ebenfalls verfügbar.