Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 11. Februar 2015, S. 5 [1]
Von Stephan Schmidt
Karlsruhe am 7. April 1977: der Tatort mit den zugedeckten Leichen von Siegfried Buback (vorne links) und seinem Fahrer sowie der Dienstwagen des Generalbundesanwalts. Die Terroristen Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Knut Folkerts wurden als Täter verurteilt. / Archivfoto: DPA
Aurich. Die Geschichte hat er schon so oft erzählt. Wie er Zweifel an den Ermittlungen zum Mordanschlag der RAF 1977 in Karlsruhe bekam. Wie er Stück für Stück etwas Skandalöses ans Licht brachte: dass die Mörderin seines Vaters, des Generalbundesanwalts Siegfried Buback, von staatlichen Behörden gedeckt wurde.
Höchste Stellen manipulieren Aktenmaterial zum Attentat auf den obersten Staatsanwalt der Republik, um eine Terroristin zu decken – unglaublich, aber nach Ansicht von Michael Buback zweifelsfrei erwiesen.
Der Professor für Chemie in Göttingen kann seine Theorie mit Fakten unterlegen. Den Beweis führte er am Montagabend bei der Eröffnung der 25. Auricher Wissenschaftstage in der voll besetzten Kundenhalle der Sparkasse am Marktplatz.
Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, sprach in Aurich. / Foto: Friedrichs
Schritt für Schritt gewährte Buback den faszinierten Zuhörern Einblick in seine privaten Ermittlungen. Zusammen mit seiner Frau arbeitete er sich jahrelang durch alte Zeitungsberichte, wertete Zeugenaussagen aus. Und er machte deutlich, dass viele Beweismittel nicht verwendet und wichtige Zeugen nicht gehört wurden. Buback skizzierte nichts Geringeres als eine groß angelegte Vertuschung staatlicher Organe. Und das alles nur, weil Verena Becker offenbar eine Informantin des Verfassungsschutzes war und zum Zeitpunkt der Tat mit diesem zusammenarbeitete.
Die Terroristin wurde 2012 wegen Beihilfe zum Mord an Siegfried Buback zu vier Jahren Haft verurteilt. Nicht aber wegen Mordes. Michael Buback vermutet, dass sie die tödlichen Schüsse auf seinen Vater, den Generalbundesanwalt, dessen Fahrer und einen Begleiter vom Motorrad aus abgegeben hat.
Dass der Staat schützend seine Hand über sie hält, macht Michael Buback betroffen. Verbittert ist er aber auch, weil die Wahrheit so lange verschwiegen wurde. „Es hat sogar ressortübergreifende Absprachen gegeben“, sagte Buback in Aurich. „Wer hütet solche Geheimnisse?“ Er zitierte aus einem Interviewbuch mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU), das im März 2013 erschien. Darin bestätigt de Maizière, Michael Buback nicht alle Akten zum Mordfall gezeigt zu haben, „und zwar mit Rücksicht auf gegebene Zusagen früherer Regierungen“, so der Minister. Aktenauszüge und Sachverhalte seien so zusammengestellt worden, „dass sie Rückschlüsse auf bestimmte Personen nicht zugelassen und zugleich eine vollständige Aufklärung der strafrechtlichen Beteiligung ermöglicht haben“, sagte de Maizière weiter.
Die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker 2012 im Oberlandesgericht in Stuttgart. / Archivfoto: DPA
„Bestimmte Personen“: Damit kann laut Buback nur Verena Becker gemeint sein.
Diese Aussage kommt für den Sohn des Ermordeten Jahre zu spät. Hätte der Minister das nur eher preisgegeben. „Damit hätte er meiner Frau und mir sehr bittere Jahre erspart“, sagte Buback. Denn wenn der Staat kein Interesse daran hat, eine Mörderin als solche zu verurteilen, ist jeglicher Kampf um die Wahrheit hinfällig. Dann kann es keine Gerechtigkeit geben.
Buback sieht in den Ermittlungen um den Terroranschlag in Karlsruhe 1977 erschreckende Parallelen zu den NSU-Morden, mit denen sich derzeit das Oberlandesgericht München beschäftigt. Von 2000 bis 2006 erschossen Mitglieder der rechtsextremistischen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund in mehreren deutschen Großstädten neun Menschen mit Migrationshintergrund. Auch bei den Ermittlungen um die NSU-Morde ist der Verfassungsschutz durch die Rolle von Informanten ins Zwielicht geraten. Mehrere Leiter von Verfassungsschutzbehörden auf Bundes- und Landesebene mussten ihre Posten räumen.
Michael Buback ist Wissenschaftler. So präzise wie Versuchsreihen waren auch seine Ausführungen in Aurich. Sachlich, fast nüchtern, schilderte er die Taten, selbst wenn er auf die genaue Lage der zugedeckten Leiche seines Vaters und dessen Fahrers einging. Diese Sachlichkeit ist seine Methode, mit der schrecklichen Tat umzugehen.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius ordnete in seiner Eröffnungsrede in Aurich die RAF ein. „Die Rote Armee Fraktion vernichtete Menschenleben und zerstörte Familien“, sagte der SPDPolitiker. Die RAF habe die fanatische Vision einer vermeintlich besseren, gerechteren Gesellschaft verfolgt und die „absolute Deutungshoheit“ für sich beansprucht. „Kommt Ihnen das bekannt vor“, fragte Pistorius. Nicken im Publikum. Politisch oder religiös motivierten Terrorismus gebe es auch heute noch – lange nach dem Ende der RAF.
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