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Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 26. Februar 2014, S. 6 [1]

Immer mehr Erreger befallen Tier und Mensch

Prof. Lothar H. Wieler warnte bei Wissenschaftstagen vor der Gefahr von Zoonosen und rechnete Landwirte zu Risikogruppe

Von Karin Baumann

Foto von Prof. Dr. Lothar H. Wieler bei seinem Vortrag im Rahmen der 24. Auricher Wissenschaftstage 2014, 27 k

Prof. Lothar H. Wieler machte den Zuhörern der Wissen­schaftstage wenig Hoffnung, dass Zoonosen auszurotten seien. Man müsse aber aufpassen, sie wenigstens nicht durch vorschnelle Antibiotika-Gaben anzureichern, sagte der Veterinär. (Foto: Baumann)

Aurich. Derzeit sind etwa 1400 Erreger bekannt, die Menschen und Tiere gleichermaßen befallen können. Alle zwei Monate entdecke die Forschung einen neuen zoonotischen Krankmacher. Der Veterinärmediziner und Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Tierseuchen der Freien Universität Berlin Prof. Lothar H. Wieler warnte am Montagabend bei den Auricher Wissenschaftstagen vor dem „unterschätzten Gesundheitsrisiko“ von Zoonosen, so sein Vortragstitel.

Zoonosen sind Infektionskrankheiten, die Tiere und Menschen gleichermaßen betreffen und über die Grenzen der biologischen Ordnungen hinweg übertragbar sind. Dies können Bakterien, Viren und Pilze, aber auch Prionen (giftige Proteine aus dem tierischen Organismus mit virusähnlichen Eigenschaften), Würmer oder Protozoen (Einzeller mit Zellkern) sein, sagte Wieler. Fälle von Zoonosen, die für öffentliche Aufregung gesorgt hätten, seien in den vergangenen Jahren SARS, Schweinegrippe, Salmonelleninfektionen und EHEC gewesen.

Der Weg solcher Krankheiten sei schwer nachzuverfolgen. Wo Tiere auf engem Raum stehen, breiten sie sich schnell aus. Der Referent forderte ein höheres Risikobewusstsein. Dazu gehöre auch, für bestimmte Krankheiten Landwirte und Tierärzte in Krankenhäusern als Risikopatienten zu behandeln, da diese ständig mit potenziell infizierten Tieren in Kontakt stünden. Zudem dürften Abwässer aus Kliniken und aus der Tierhaltung nicht vermischt werden, weil sonst durch Gen-Mutation hochgefährliche Erreger entstehen könnten.

Die Übertragung von Krankheiten zwischen Menschen und Nutz-, Wild- oder auch Haustieren passiere vor allem in Gegenden mit dichter Besiedlung, erläuterte der Mediziner. Hier lebten in aller Regel auch viele Tiere in großer Nähe des Menschen. Was meist vergessen würde: Gerade auf Europa und Amerika treffe das zu. Übertragen werden die Erreger direkt durch den Verzehr von Tieren oder indirekt durch sogenannte Vektoren wie beispielsweise Mücken oder durch Schmierinfektionen.

Die Krankheiten springen dabei nicht nur von den Tieren auf Menschen über, sondern auch umgekehrt, so Wieler. „Es geht lustig hin und her zwischen Nutztieren, Menschen und Haustieren“, machte er deutlich. Dass Tier und Mensch als Wirte für denselben Erreger infrage kommen, sei kein neues Phänomen. Häufig könne sich beispielsweise ein tierisches Virus im Menschen aber nicht halten und sich ausbreiten, sodass es rasch wieder abstürbe. Das sei wohl auch ein Grund, warum es in der Vergangenheit kaum Pandemien gab. Doch es gebe viele Tiere, die von den gleichen Erregern befallen werden wie Menschen.

Die Gefahr liege vor allem darin, dass Krankheitserreger mit ihrem einfachen Gen-Material leicht mutieren. Dadurch können sie schnell gegen beispielsweise Antibiotika resistent werden. Ihr weiterer Vorteil, so Wieler, ist das Tempo, in dem sie sich vermehren. Schon durch diese Geschwindigkeit reagierten sie schneller auf Veränderungen als Menschen. Hinzu komme, dass Menschen Supraorganismen sind. Das heißt, ihr Stoffwechsel funktioniert mittels Bakterien. Der Mensch habe mehr davon in sich als eigene Zellen, verdeutlichte Wieler. Wenn also Antibiotika Krankheitserregern den Garaus machen, töten sie auch die Bakterien, die zum Menschen dazugehören.

Zur Verdeutlichung griff sich der Referent das in Norddeutschland weit verbreitete Nutztier Schwein heraus und erklärte an zwei Bakterienarten die Probleme. Staphylokokkus aureaus und Escherichia coli sind Keime, die beim Menschen vorkommen. Gefährlich seien sie bei geschwächter Immunabwehr. Mikrobiologen unterschieden zwischen Klonen bei den Mutationen. Jeder Klon reagiere anders auf die Umwelt, manche fühlten sich in dieser, andere in anderer Umgebung wohl. Diese Unterschiede müsse die Forschung genauer untersuchen, forderte Wieler.

Dass bakterielle Infektionskrankheiten durch Antibiotika zu beherrschen seien, findet Wieler „absurd“. „Wir müssen damit leben, aber aufpassen, dass wir die Gefahr durch Antibiotika-Gaben nicht zu stark anreichern. Wir dürfen die Erreger nur bekämpfen, wo es nötig ist, und müssen risikobewusst an Krankheiten rangehen“, sagte er.

Bei Ausbruch von Viruserkrankungen vorsorglich ganze Bestände zu keulen, hält der Berliner für kontraproduktiv. Denn die Viren existierten weiter – die Tiere, die eine Immunabwehr dagegen aufgebaut hätten, würden vernichtet.

Anmerkung

[1]

Eine E-Paper-Version des Artikels ist ebenfalls verfügbar.

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