Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 25. Juni 2011, S. 6 [1]
Der Nobelpreisträger Prof. Dr. Harald zur Hausen (Foto: Lindenbeck)
lin Aurich. Der Nobelpreisträger Prof. Dr. h. c. mult. Harald zur Hausen hielt anlässlich der Auricher Wissenschaftstage am Donnerstagabend im Auricher Güterschuppen einen vielbeachteten Vortrag zum Thema „Krebs durch Infektionen“. Für seine Erkenntnis, dass Gebärmutterhalskrebs durch Papillomviren ausgelöst werden kann, wurde der gebürtige Gelsenkirchener 2008 in Stockholm mit dem Nobelpreis für Medizin bedacht. Gebärmutterhalskrebs sei heute die zweithäufigste Krebsart bei Frauen. Jährlich würden 6500 neue Fälle auftreten, 1700 Frauen sterben an der heimtückischen Krankheit, sagte zur Hausen.
Bereits in den 1970er Jahren entdeckte der Wissenschaftler, dass Infektionen bei Krebserkrankungen eine Rolle spielen können. Damit widersprach er der vorherrschenden Lehrmeinung und zerstörte gleichzeitig ein medizinisches Dogma.
„Heute gilt es als sicher, dass eine Reihe von Virusfamilien und Virustypen mit Krebs in Verbindung gebracht werden können“, sagte zur Hausen. In der Gruppe der Herpesviren könne beispielsweise der Epstein-Barr-Virus Krebs im Magen oder im Nasen- und Rachenbereich fördern. Hepatitis-Viren seien häufig der Auslöser für Leberkrebserkrankungen, machte zur Hausen deutlich.
Neben Viren können aber auch Bakterien oder Parasiten für eine Krebserkrankung verantwortlich sein. „Parasiten bewirken vorwiegend in Ägypten Krebserkrankungen an der Blase“, so zur Hausen.
Die Forschungen zum Gebärmütterhalskrebs gehen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Dort habe ein Arzt festgestellt, dass die Erkrankungen häufig bei Prostituierten auftauchten, während Nonnen von dem Krebs vollständig verschont blieben. Auch zur Hausen forschte seit den 1960er-Jahren an diesem Phänomen. Im Laufe der Jahre gerieten die Papillomviren (HPV), die beim Geschlechtsverkehr übertragen werden, zunehmend unter Verdacht. Anfang der 1980er-Jahre gelang es zur Hausen und seinem Team, die HP-Viren 16 und 18 zu isolieren.
„Wir haben die Typen, die Gebärmutterhalskrebs auslösen, charakterisiert und isoliert. Damit waren die Voraussetzungen für eine Impfung geschaffen“, machte zur Hausen deutlich. Der Wissenschaftler betonte aber dass die Viren den Krebs als eine Art Unfall auslösen. Dafür brauche es zunächst Veränderungen in der Zelle. Es könne zwischen 15 und 25 Jahren dauern, ehe die Veränderungen in Krebs übergehen.
Die Impfung beinhalte vier Typen der Papillom-Viren, die für etwa 70 Prozent der Erkrankungen verantwortlich seien. Seit acht Jahren können sich junge Mädchen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren gegen die Viren impfen lassen. Doch die Akzeptanz der Vorbeugung sei in Deutschland noch sehr gering, sagte zur Hausen. Nur dreißig Prozent der jungen Frauen lassen sich gegen HPV impfen. „Das liegt auch an dem fehlenden Wissen bei den Ärzten“, sagte zur Hausen. Zudem sei die Angst vor den Nebenwirkungen noch sehr hoch.
Die Impfung zeigt aber schon erste Erfolge. „Da der Gebärmutterhalskrebs aber erst nach 15-25 Jahren auftaucht, kann der Erfolg einer Impfung nur durch die Verhinderung der Vorstufen beurteilt werden“, machte zur Hausen deutlich. Bei allen geimpften Personen sei der HP-Virus nicht mehr nachweisbar gewesen. Die Impfung bekämpfe nicht den Krebs, aber seine Vorstufen. „Aber sollen wir deshalb mit einer Impfung warten?“, fragte zur Hausen in die Runde und riet dringend dazu, dem Gebärmutterhalskrebs vorzubeugen.
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