Artikel der Ostfriesischen Nachrichten vom 28. Februar 2011 [1]
Von Aiko Recke
Freitagabend im Auricher Güterschuppen: Professor Dr. Walter von Lucadou ist froh, dass man unerklärliche Phänomene zwar beobachten, aber nicht kontrollieren kann. (Fotos: Recke)
Aurich. Eines Tages brach die Ehefrau von Professor Walter von Lucadou plötzlich in Tränen aus. Man saß zusammen beim Tee, Tochter Renate war nach dem Abitur im mehrere Tausend Kilometer entfernten Australien unterwegs. Ihre Mutter war sich in diesem Augenblick sicher, dass Renate etwas zugestoßen war. Einen Tag später stellte sich heraus, dass die junge Frau tatsächlich einen schweren Unfall gehabt hatte.
Wie ist so etwas möglich? Und gibt es womöglich eine wissenschaftliche Erklärung für solche unheimlichen Gedankenübertragungen?
Der Physiker und Psychologe Prof. Dr. Walter von Lucadou, Leiter der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg, referierte am Freitagabend im Rahmen der 21. Wissenschaftstage zu diesem Thema im Auricher Güterschuppen. „Vom Umgang mit dem Rätselhaften“, lautete der Untertitel.
Von Lucadou tastete sich behutsam an die entscheidenden Fragen heran. Er berichtete zu Beginn von der Arbeit in seiner Beratungsstelle, bei der sich mittlerweile 3000 bis 5000 Menschen pro Jahr melden. „Wir sind eine Art Verbraucherberatung für den Esoterikmarkt”, erklärte von Lucadou. Meistens handele es sich um Anfragen nach Hellsehern, Magiern, Heilern, insbesondere Fernsehsendungen haben Einfluss auf die Zahl der Nachfragen. Die zweithäufigste Art von Anfragen drehe sich um die sogenannten „Wahrträume”, also Träume, die tatsächlich eintreffen. Ein typisches Beispiel seien „Vorahnungen” von Autounfällen, die sich bewahrheiten.
Eine weitere Kategorie von Anfragen an die Beratungsstelle seien die nach „Erscheinungen”. So berichtete von Lucadou von einer Frau, die in ihrer Wohnung den Geist ihres drei Wochen zuvor verstorbenen Mannes auf dem Sessel sitzen gesehen habe. „Die Frau ist nicht psychisch krank. 80 Prozent der Menschen, die einen Angehörigen verloren haben, erleben so etwas”, so von Lucadou. Die Erklärung sei in diesen Fällen relativ simpel. Das Gehirn korrigiere schlicht „fehlende Dinge” in gewohnte Bilder hinein. Das kognitive System der alten Frau erwarte eben, dass ihr Mann im Sessel sitzt. Deswegen sehe sie ihn eine Zeit lang noch dort sitzen. Nach einigen Wochen verschwindet meist der Spuk, so von Lucadou. „Man muss ein bisschen locker drangehen, um den Leuten effektiv helfen zu können”, meinte er.
Grundsätzlich habe seine Beratungsstelle mit drei Kategorien von Berichten zu tun:
Erstens mit solchen, die konventionell erklärbar sind. Zum Beispiel berichtete ein junger Mann, dass er Stimmen aus seinem Teekessel höre. Die Lösung des unheimlichen Rätsels: In der Nähe der Wohnung befand sich ein starker Mittelwellensender, der den Teekessel zu einer Art Radio macht. Von Lucadou: „Das war nur ein physikalisches Phänomen.”
Zweitens gebe es Berichte, zu denen nur unzureichende Informationen vorliegen, zum Beispiel weil die Ereignisse schon lange her sind.
Wirklich spannend und „echte Rätsel” aber seien die Berichte (Kategorie 3), die nur schwer erklärbar sind. Diese seien ein „wissenschaftliches Problem”, so von Lucadou. Hier komme man unter anderem in den Bereich von Telepathie („Fernfühlen”) und Telekinese („Fernbewegung”), die laut von Lucadou zu den Grundfragen der Parapsychologie gehören. (Der Begriff sei im Übrigen „voll kommen von Scharlatanen usurpiert”, so von Lucadou).
In diesem Zusammenhang griff der Parapsychologie-Experte den Begriff der „Synchronizität” des Schweizer Psychologen Carl Gustav Jung auf. Demnach gibt es Ereignisse, die miteinander verbunden sind, obwohl sie nicht kausal zusammenhängen. In diesem Punkt wird von Lucadous Ansatz ziemlich kompliziert: Es kommt die Quantenmechanik mit ihren „spukhaften Fernwirkungen” (Einstein) ins Spiel.
Schüler Hartmut Schoon berichtete von seinem Forschungsaufenthalt in Spanien.
In sogenannten „Verschränkungskorrelationen” sieht von Lucadou nämlich die Ursache für viele „unerklärliche” Berichte. Für diese „selbstorganisatorischen” Systeme gelten demnach „ganz andere Eigenschaften”, klassische Kausalketten verlören ihre Gültigkeit.
Ein weiterer springender Punkt ist für von Lucadou die Bedeutung der Menschen füreinander. Im Beispiel mit dem Unfall seiner Tochter sei es eben die große Bedeutung für seine Frau gewesen, die sie den Unfall „ahnen” ließ.
Typisch für die Psi-Phänomene sei aber auch, dass sie nicht kontrolliert in den Griff zu bekommen seien. „Jeder Versuch, Verschränkungskorrelationen zu verwenden, bringt diese zum Verschwinden. Sie können solche Erlebnisse haben, aber sie können sie nicht verwenden”, ist von Lucadou überzeugt. „Ich bin aber ganz froh, dass Psi-Phänomene bockig sind”, fügte er hinzu. Genau deswegen seien Hellseher eben doch Scharlatane.
Möglich und wichtig sei aber, den Menschen zu erklären, wie man mit den Psi-Phänomenen umgeht. „Wir sagen Menschen aber nicht, was sie glauben sollen”, so von Lucadou. Wichtig bei der Beratung sei, den Leuten zuzuhören. Viele würden falsch behandelt und „unnötig” zum Psychiater geschickt.
Vor dem Vortrag von Prof. von Lucadou hatte Schüler Hartmut Schoon kurz von seinem Aufenthalt im „Observatorio de Sierra Nevada” berichtet. Er war dort vom 12. bis 17. Juli vergangenen Jahres im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie (Bonn).
Ein Scan des Artikels ist ebenfalls verfügbar.