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Auricher Wissenschaftstage –
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Aufenthalte am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen (V)

Praktikumsbericht

Praktikum am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen
vom 18. bis zum 22. März 2013
Von Anna Warmuth

Im Rahmen der Auricher Wissenschaftstage absolvierte ich zusammen mit Maren Siebels ein einwöchiges Praktikum am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen.

Arbeitsplatz im Labor, 17 k

Der Arbeitsplatz im Labor

Am Montagmorgen wurden wir in der Abteilung lll, die von der Nobelpreisträgerin Frau Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard geleitet wird, bereits erwartet. Zuerst machte uns Horst Geiger mit den Räumlichkeiten vertraut. Wir schauten wir uns im Keller die Fischzucht an. In vielen kleinen Aquarien schwammen zahlreiche gezüchtete Zebrafischmutanten, die zur Forschung dienten. Man will herausfinden, welche Gene für die Entwicklung der Gestalt des Fisches zuständig sind. Die kleinen Tierchen sind wie die Menschen Wirbeltiere, können in kurzer Zeit viele Eier legen und sind relativ einfach und günstig zu halten. Sie werden mit Artemien, einer winzigen Krebsart, gefüttert.

Anschließend durften wir selber ans Werk: Wir setzten unsere eigenen Fischkreuzungen an. Mit einem Kescher fischten wir zuerst die Männchen, danach die Weibchen und setzten jeweils ein Pärchen in einen Plastikbehälter mit Wasser. Weil die Fische ihre Eier selbst fressen, haben wir sie mit einem Sieb, durch das die Eier fallen, ausgetrickst. Beim Aufräumen war es besonders wichtig, alles zu beschriften.

Danach beschäftigten wir uns mit der Transformation, die Übertragung freier DNA (Plasmide) in kompetente Bakterienzellen. Wir wollten das Wachstum von gekauften und selbstgemachten chemisch kompetenten Bakterien vergleichen. Mit einer Pipette fügten wir ein Plasmid im Verhältnis 1:100 zu den Bakterien. Man vermutet, dass diese sich an die Zellmembran heften. Nach einem vorgegebenen Rezept führten wir alle Schritte genau durch. Wir fügten Ampicillin als Medium hinzu, verteilten die gekauften/selbstgemachten Bakterien je 5 (50) Mycroliter in 4 Petrischalen und stellten sie warm (37°).

Außerdem pickten wir uns eine Bakterie aus einer schon gezüchteten Darmbakterienkultur und setzten sie ebenfalls in ein ampicillinhaltiges Nährmedium, um sie wachsen zu lassen. Da Bakterien Sauerstoff benötigen, verschlossen wir das Röhrchen mit einer sauerstoffdurchlässigen Folie, bevor wir auch diese wärmten (37°) und gleichzeitig schüttelten. Nun hieß es: auf den nächsten Tag warten.

Am Dienstag verglichen wir die Ergebnisse der eigenen und gekauften Bakterien. Die Kulturen waren noch weißlich, da sie noch nicht so viele Proteine gebildet haben. Mit Hilfe von Karopapier werteten wir die statistische Streuung grob aus. Auf 4cm2 befanden sich bei den eigenen (5 Mycroliter) durchschnittlich 6 Bakterien, bei den gekauften ungefähr 4. Bei 50 Mycroliter bildeten die eigenen ca. 20, bei den gekauften ca. 29. Daraus schlossen wir, dass die Bakterien das Plasmid in beiden Fällen gut aufgenommen haben, die eigenen Bakterien sind daher keineswegs schlechter.

Darauffolgend holten wir unsere Flüssigkulturen aus der Wärmeanlage und zentrifugierten sie wenige Sekunden, so dass die Bakterien durch Fliehkraft nach außen geschleudert wurden. Jetzt konnten wir nach Anweisung die sogenannte „Miniprep“ (Alkalische Lyse nach Birnbäum) durchführen, um die DNA (das Plasmid) weitgehend zu waschen (Entfernung von Salzen, Dreck etc.). Anhand eines Spektrometers maßen wir die Wellenlänge der DNA. Nukleinsäuren (in der DNA) haben normalerweise eine Wellenlänge von 260nm. Das Spektrometer zeigt an, wie viel Licht absorbiert wird. Mit unseren erfolgreichen Ergebnissen könnte man theoretisch die Konzentration der DNA ausrechnen.

Am späteren Morgen kümmerten wir uns um die Zebrafische. In jeweils sechs von 10 Behältern („Leos und Albinofische“) befanden sich Eiablagen, die wir in Petrischalen siebten. Unbefruchtete Eizellen mussten unter dem Mikroskop aussortiert werden, weil sie sonst schimmeln und die gesunden Zellen anstecken. Die Petrischalen wurden mit Datum und dem jeweiligen Stadium, in dem sich die Zellen befanden, beschriftet. Damit die Fische schlüpfen, stellten wir sie warm.

Nachmittags machten wir uns beim Aussortieren und Auflisten älterer Proteine nützlich. Auch diese Arbeit gehört zur wissenschaftlichen Forschung. Altes und Überflüssiges wird entsorgt, noch Brauchbares einsortiert und in Listen gespeichert. Jedes Einzelne wurde mit einer Nummerierung versehen, um eine Proteinquantifizierung vorzubereiten. Gemeinsam mit Horst testeten wir dann die Aktivität der Proteine.

Beim Mikroskopieren der Fischembryonen, 14 k

Maren beim Mikroskopieren der Fisch-embryonen

Fische (Fischeizellen) unter dem Mikroskop, 10 k

Unsere Fische (Fischeizellen) unter dem Mikroskop

Am Mittwochvormittag waren unsere Zebrafischembryos schon im sehr weiten Stadium: Wir konnten unter dem Mikroskop klare Fischstrukturen erkennen und die Körperteile bestimmen, z. B. das große Auge, die Somiten, Pigmente, das Ohr, wir konnten sogar das Herz schlagen sehen.
Als wir am vierten Tag nach unseren Fischembryonen schauten, waren die Albinos und die Leos fast alle geschlüpft und hatten die Eihülle abgeworfen.

Außerdem besuchten wir auch Uwe, den Fliegenspezialisten der Abteilung. Im Gegensatz zu dem großen Fischhaus, kann er seine über 10.000 Fliegen in nur 3 Regalen unterbringen. Mit der für uns bekanntlichen Taufliege, Drosophila melangostar, wurde schon seit über 100 Jahren im Labor die Genetik erforscht. Ihre Mechanismen sind weitgehend bekannt und die Grundlagen übertragbar. Die 3-5mm große Fliege ernährt sich hauptsächlich von überreifem Obst und ist einfach und billig zu halten. Bei der Zucht kommt sie in einen Legekäfig; die Larven schlüpfen bei 18-29° aus den Eiern, verpuppen sich und in 10-14 Tagen haben sich neue Fliegen entwickelt.
Uwe zeigte uns auf einem Poster sowie unter dem Mikroskop zahlreiche Fliegenmutanten. Dabei spürten wir deutlich seine Faszination und Begeisterung. Es gab Fliegen mit roten (normal), dunkelroten, lachsfarbenden Augen, andere mit verstümmelten Flügeln, bei manchen fehlten bestimmte Borsten. Damit die kleinen Lebewesen nicht unter dem Mikroskop entwischten, mussten sie zuerst mit CO2 betäubt werden. Anschließend wurden sie leider auch „entsorgt“.

Später führte Silke gemeinsam mit uns eine sogenannte Gelelektrophorese durch. Hier wurden DNA-Teile unter Einfluss eines elektrischen Feldes getrennt. Dazu benutzten wir DNA von den Hinterflossen der Zebrafischmutanten. Zuerst wurde ein Agarosegel in einen „Tank“ mit Salzlösung gelegt, die die Elektrizität leitet. Die DNA-Samples mit farbigem Puffer (zur besseren Sichtbarkeit) wurden dann in die Geltaschen pipettiert. Als sich die DNA je nach Ladung und Größe geteilt an und zu den Polen gewandert ist, konnte man ein Foto für die spätere Analyse machen. Der ganze Vorgang dient dazu, weitere Gene zu kartieren. Man möchte herausfinden, auf welchem Chromosom das verantwortliche Genom für eine bestimmte Mutation liegt.

Am vorletzten Tag wurden wir von Christian, einem weiteren Abteilungsmitglied, über die Grundlagen der Lichtmikroskopie unterrichtet.
Spannend war die Einweisung eines großen Lichtmikroskops für eine Wissenschaftlerin aus Australien, die auf englischer Sprache erfolgte. Das Mikroskop war an einen Computer angeschlossen, der die gescannten Bilder anzeigte. Die installierte Software schlug automatisch eine geeignete Einstellung vor. Die vielen möglichen Funktionen sind eine Herausforderung und ein Wunder der Technik.

Transmissionselektronenmikroskop, 12 k

Transmissionselektronenmi-kroskop

Am Freitag, unserem letzten Praktikumstag, lernten wir das Elektronenmikroskop kennen. Im Vergleich zu den Lichtmikroskopen konnte hier eine viel höhere Auflösung erreicht werden. Anstatt eines Lichtstrahls projizierte man einen Elektronenstrahl auf die Probe, der von magnetischen Blenden kontrolliert wurde. Dabei war es wichtig, dass sich kaum Luft in dem Mikroskop befand, das die Elektronen ablenken konnte. Man hatte zwei Arten von Vergrößerungen: das Transmissionsmikroskop zeigte Querschnitte einer Probe, das Rastermikroskop nur die Oberfläche. Die Vorbereitung war eine aufwendige Maßarbeit. Unter einem kleineren Mikroskop schnitt man mit einem Diamantenmesser ein winziges (50nm) Stück einer Probe ab. Man benutzte einen Wimpernpinsel, um eine Probe auf das Präparat zu übertragen.

Unsere Fotos von dem Fliegenauge der Drosophila und den Melanophoren (Pigmente) einer Fischflosse durften wir ausdrucken und mitnehmen. Man konnte alle Zellorgane genau sehen, die Membran, die Mitochondrien, den Golgi-Apparat, den Zellkern …

Das Praktikum war für uns ein einmaliges Ereignis und sehr eindrucksvoll. In nur fünf Tagen bekamen wir dank der freundlichen Mitarbeiter, die sich viel Zeit für uns nahmen, einen Überblick über die Dimensionen der Forschung. Es ist teils unglaublich, wie weit die menschlichen Kenntnisse über die biologische Entwicklung reichen, und doch etliche Fragen unbeantwortet sind. Die Forschung kostet Unmengen an Geld, aber die Investitionen lohnen sich. Denn alles in der Natur hat seinen Grund.

An dieser Stelle möchten ich mich auch ganz herzlich bei den Organisatoren der Auricher Wissenschaftstage, Frau Groen, Frau Henschel sowie Herrn Antony, bedanken, die uns das Stipendium vermittelt haben und jährlich Kontakte mit weltweiten Instituten pflegen, um den Schülern Chancen offen zu halten. Es war eine große Erfahrung für mich! Danke.

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