Praktikum am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
in Stuttgart vom 1. April bis zum 13. April 2002
Von Holger Bartschat
Am 01.04.2002 erreichten Norman Wirsik, der hier ebenfalls ein Praktikum absolvierte, und ich Stuttgart. Wir wurden im institutseigenen Gästehaus untergebracht und nach einigen, unlösbaren Schwierigkeiten mit dem elektronischen Schließsystem meines Zimmers wurde ich kurzerhand in ein Appartement umquartiert. Klasse, diese „Keycards“ können ja doch ganz nützlich sein. Abends erreichte uns dann auch unser dritter Mann, Dirk Behrends, der krankheitsbedingt etwas später losgefahren war.
Dienstagmorgen: Wir werden von Frau Dr. Asen-Palmer freundlich empfangen und unseren Abteilungen zugewiesen. Dirk verschwand in der Chemie und Norman in der Technologie. Beide werden noch in eigenen Berichten ausführlich darüber schreiben. Ich kam in die Abteilung des Nobel-Preisträgers Prof. Dr. von Klitzing. Dort wurde ich vom Gruppenleiter Dr. Weis empfangen und gleich an Dr. Quirion weitergeleitet, der ab sofort mein Betreuer war.
Die Hauptaufgabe dieser Gruppe besteht darin den Kondo-Effekt mit Hilfe von Ein-Elektronen-Transistoren (Single-Electron-Transistor/SET) besser zu verstehen. Somit verbrachte ich die erste Woche zusammen mit Dr. Quirion im Labor und bereitete einen neuen Langzeit-Versuch, der über mehrere Wochen, vielleicht sogar Monate gehen soll, vor. Meine Aufgabe bestand in erster Linie darin, Stabilitätsmessungen an sogenannten Addieren vorzunehmen. Diese Geräte sind in der Lage Gleich- und Wechselspannungen in verschiedenen Stärken zu kombinieren. Da sie aber alle selbstgebaut wurden, müssen sie vorher gründlich getestet werden, da Spannungsschwankungen den Versuch empfindlich stören würden. Gemessen wurde mit Hilfe eines selbstgeschrieben Computerprogramms auf Linux-Rechnern. An das System muss man sich erst mal gewöhnen …
Zwischendurch erklärte mir Dr. Quirion den Quanten-Hall- und den Kondo-Effekt, die Funktionsweise von SETs und die Computerprogramme, mit denen in der Gruppe hauptsächlich gearbeitet wird.
Alle Experimente der Gruppe basieren auf dem selben Prinzip: SETs werden auf Plättchen aufgebracht, die aus einer Aluminium-Gallium-Arsenid-Schicht, einer Gallium-Arsenid-Schicht und anderen Schichten bestehen. Im Spezialkühlschrank werden diese dann auf 20 mK abgekühlt, was in etwa -273°C entspricht.
Die eine Hälfte der zweiten Woche verbrachte ich größtenteils im Reinraum, einem absolut von der Außenwelt abgeschirmten Bereich, mit eigener Luftversorgung, in den man nur mit Schutzanzug rein durfte, um keine Verunreinigungen zu verursachen. Dort wurde mir gezeigt, wie die Plättchen für die Experimente zugeschnitten und vorbereitet werden. Dann durfte ich noch im Optiklabor bei der Ausrichtung von Lasern helfen. Höhepunkt war jedenfalls der Teilchenbeschleuniger, der allerdings zum benachbarten MPI für Metallforschung gehört. Ein haushohes Gerät, das von Otto Hahn persönlich im zweiten Weltkrieg gebaut wurde und aufgrund seiner einmaligen Stabilität und der hochmodernen Zusatzausrüstung trotz seines hohen Alters das beste der Welt sein soll. Beeindruckend.
Heute ist Donnerstag, der 11. April. Heute und morgen werde ich hauptsächlich Unterricht im Programmieren von Textdokumenten im Linuxprogramm LaTex bekommen. Jenes Programm, mit dem hier (fast) alle Veröffentlichungen, Diplom- und Doktorarbeiten geschrieben werden. Word für Windows hat sich hier nicht sonderlich beliebt gemacht (bei dem Formel-Editor kein Wunder …). Heute geht's noch einmal in den Reinraum. Samstag Vormittag machen Norman und ich mich jedenfalls auf den Weg nach Hause. Dirk hat sich nach einem Rückfall bereits letzten Samstag verabschiedet.
Abschließend kann ich sagen, dass mir dieses Praktikum sehr viel gebracht (insbesondere meinen Englisch-Kenntnissen) und Spaß gemacht hat. Und wie auch meine Vorgänger Eike und Jan kann ich so etwas jedem Interessierten nur empfehlen. Das hier ist Wissenschaft live. Hier fliegen sogar Doktoranden ihre kostbaren Proben um die Ohren …