Logo der Berufsbildenden Schulen 2 Aurich

Auricher Wissenschaftstage –
Forum einer dritten Kultur

Logo des Ulricianums

Aufenthalte in Verbindung mit dem Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Praktikumsbericht

Lehrgrabung in Goseck
vom 20. Juli bis zum 14. August 2009
Von Henning de Vries

Am 20. Juli 2009 begann die vierwöchige Lehrgrabung in Goseck unter dem Grabungsleiter Serge Reich; ich selbst kam bereits am 19. Juli in Schloss Burgwerben – unserer Unterkunft – an. Die Unterkunft war ein recht altes Gemäuer, in welchem es, bis auf eine winzige Kochecke mit einem Herd und einem Kühlschrank, kaum Einrichtungsgegenstände gab. Die Duschen lieferten über Boiler warmes Wasser, sodass nur höchstens drei Personen duschen konnten, bis das Wasser sich wieder aufwärmen musste; bei fünfzehn Personen konnte das Duschen sich doch recht hinziehen.

Die Arbeitszeiten bedeuteten ein frühes Aufstehen, also um spätestens 06:00 Uhr morgens musste ich wach und abfahrbereit sein, um 17:00 Uhr endete die Arbeit dann auf der Fläche. Wenn man jedoch für den Brötchen-Hol-Dienst eingeteilt war, hieß es schon früher aufstehen, sonst standen kurz darauf hungrige Mäuler am Schlafplatz.

Bei den Ausgrabungen handelt es sich konkret um ein Benediktinerkloster, hierzu wird an jeweils vier Schnitten gearbeitet. Ein Schnitt befasst sich mit dem mittelalterlichen Friedhof, ein weiterer befindet sich bei dem alten Westturm; diese liegen recht nah beieinander. Der dritte Schnitt liegt an einem Hang; bei diesem findet sich ein mittelalterliches Kellergewölbe sowie ein Ofen. Beim vierten Schnitt handelt es sich um eine Abfallgrube.

Zum Beginn wurden wir auf die einzelnen Schnitte verteilt, ich wurde am Hang eingesetzt; dort wurde eine grundsätzliche Freilegung der Fläche vorgenommen, da diese für den vorausgegangenen Winter gut abgesichert war.

Henning de Vries mit Fundschüssel auf dem Schnitt, 44 k

Hier sieht man mich mit einer Fundschüssel auf dem Schnitt, an welchem ich arbeitete. Unter dem weißen Gerüst im Hintergrund findet sich der mittelalterliche Ofen.

Der Schnitt lässt sich im Grunde in drei Abschnitte unterteilen:

  1. Der Ofen am oberen Ende des Hangs
  2. Das Kellergewölbe in der Mitte
  3. Der Gang am unteren Ende

Mit dem Ofen beginnend wurde die Fläche gesäubert; dies beinhaltete das „Kratzen“ zur Entfernung von aufliegendem Schutt, hiernach wurde die Fläche gesaugt. Das ist sehr anstrengend, da man sich stets auf den Knien befindet oder mit einem älteren Staubsauger tatsächlich bemüht ist, die letzten Staubkörnchen von der Bodenschicht zu bekommen. Der kleinste Fehltritt am Rand führt daher oft zur Verzweiflung des gerade Saugenden.

Nachdem es endlich geschafft wurde die Fläche zu säubern, mussten wir Fotos machen, auf welchen das gesamte Planum, also der Boden des Abschnitts, oder das Profil zu sehen sein muss. An einem Hang stellt es eine akrobatische Leistung dar, wirklich das vollständige Planum auf ein Bild zu bekommen. Es musste mit drei Kameras fotografiert werden: Schwarz-Weiß, Dia und Digital. Die schwarz-weiß Fotos halten sich am längsten, ebenso die Dia-Fotos, daher werden diese immer noch gemacht. Die digitalisierten Fotos werden zur späteren Verarbeitung verwendet, wenn die Zeichnung der Fläche vorliegt.

Die Fläche zu zeichnen stellt nicht nur eine künstlerische Leistung dar, sie erfordert auch viel Geduld. Denn man muss erst die zu zeichnende Fläche ausmessen und Fäden spannen; diese ergeben letztlich viele Quadrate. Alle Befunde in diesen Quadraten müssen auf dem Millimeterpapier exakt aufgemalt werden. Ich habe manchmal einige Tage damit verbracht, die Befunde, also Steine, Ziegel oder einfache Verfärbungen, im Boden auszumessen und dann auf das Papier zu übertragen.

Handzeichnung bei einer Ausgrabung, 14 k

Handzeichnungen sind trotz der Möglichkeiten am Computer notwendig, dabei gilt es vor allem sehr genau zu arbeiten. Diese Zeichnung zeigt ein herausragendes Skelett, dabei wurde jeder Punkt genau eingemessen, sodass man Foto und Zeichnung übereinander legen kann.

Solche Zeichnungen werden später mit den Digitalfotos abgeglichen; auf den Digialfotos befinden sich Maßstäbe, sodass die Zeichnung und die Fotos aufeinander gelegt werden können. Daher müssen die Zeichnungen exakt sein, und es dürfen nur geringe Abweichungen auftreten.

Es wird also beinahe jeder Zentimeter mühselig ausgemessen.

Bevor man jedoch überhaupt mit dem Zeichnen beginnen darf, muss man die Fläche einmessen. Hierzu gibt es das sogenannte Tachymeter, welches im Grunde ein Koordinatenkreuz auf die Fläche legt. Indem man dann mit einem Prisma bestimmte Punkte auf dem Planum anpeilt, kann man jeden Meter exakt bestimmen. Würde man dies mit einem Zollstock machen, wäre dies zu ungenau. Das Tachymeter benennt daher jeden Punkt, als würde ein genaues Koordinatensystem auf dem Planum liegen. Dies fand ich persönlich sehr interessant und habe daher auch das Tachymeter an den Wochenenden, an welchen wir frei hatten, mit zur Unterkunft genommen. Dort habe ich mit der Genehmigung des Grabungsleiters Serge Reich einige Tests durchgeführt.

So habe ich letztlich ein eigenes Tachymeter-Handbuch geschrieben, welches auf der Grabung als vereinfachte und verständlichere Version des mehrere Ordner umfassenden Original-Handbuchs dient. Über dies Tatsache freue ich mich sehr.

Nachdem man also die Fläche eingemessen hat, endet die schweißtreibende Arbeit nicht. Man muss nun zwar nicht mehr Erde aus der Grube transportieren, jedoch in aller Ruhe zeichnen, diese Zeichnung am Ende kopieren – per Hand versteht sich – und danach die Höhe eintragen, also wie hoch die Befunde über normal Null liegen.

Dafür haben wir das Nivelliergerät benutzt; dieses orientiert sich an bereits ausgemessenen Höhenpunkten und erfordert einige Rechnerei. Man erkennt nämlich anhand der Messlatte, wie hoch das Gerät steht; dies muss man zum angegebenen Wert des Höhenpunkts dazurechnen. So erhält man die Gerätehöhe; von dort aus rechnet man dann zu den einzelnen Befunden, indem man die Messelatte darauf setzt.

Dies folgt dem Grundsatz:

Diese beiden Sätze sind ganz wichtig, damit man auch wirklich die richtigen Ergebnisse hat. Mir wurde von Fällen berichtet, bei denen plötzlich zwei direkt nebeneinander liegende Punkte sich um mehrere Meter in der Höhe unterschieden. Daher wurden uns diese beiden Sätze ganz besonders zur Einprägung gegeben.

Wenn dies abgeschlossen war, musste noch die Befundbeschreibung erfolgen, hieß also fühlen und schmecken, wie die Erde sich zusammensetzt, ob sie schluffig, sandig oder tonig ist usw.

Außerdem muss die Farbe bestimmt werden. Nachdem dies für alle drei Stellen erledigt war, hat uns Serge endlich weiter graben lassen. Dies hat noch einige sehr interessante Funde zu Tage gefördert, vor allem wurden Knochen und Scherben gefunden.

Schnitt bei einer Ausgrabung, 28 k

Auf diesem Bild sieht man den mittleren Teil des Schnitts, in welchem sich das Kellergewölbe befand. Leider konnte es bisher noch nicht weiter freigelegt werden.

Leider handelte es sich bei unserem Schnitt nur um Tierknochen, die in direkter Nähe zum Ofen lagen. Jedoch haben wir stets auf menschliche Knochen gehofft, um unsere scherzhafte Theorie eines Gosecker Totenkults zu bewahrheiten, in welchem die Menschen im Ofen verbrannt und im Keller beerdigt wurden. Bis heute hat sich noch kein Beweis ergeben, aber wir hoffen weiter.

Beim Kellergewölbe scheint sich wohl um einen späteren Jagdkeller zu handeln, den wir leider nicht mehr begehen konnten.

Dafür wurden im Gang noch die anstehende, also natürlich gewachsene Bodenschicht freigelegt; dies war eine sehr anstrengende Suche, die ich selbst betreiben durfte, und ich gab sie auch gerne gelegentlich ab.

Die Gruppe war ganz angenehm; insgesamt waren wir 9 Studenten, vier Schnittleiter, ein Grabungsleiter und meine Wenigkeit als Schüler. Ich habe mich sehr gut mit allen verstanden und fand es eine wunderbare Erfahrung, die ich gerne im nächsten Sommer wiederholen möchte, so es wieder möglich sein wird.
Außerdem habe ich Professer Dr. Stephan, der im Bereich der Archäologie in Bezug auf Scherben führend ist, persönlich kennen gelernt und war über diese Begegnung sehr erfreut.
Daher danke ich den Auricher Wissenschaftstagen für diese eindrucksvolle Möglichkeit.

IKARE-Praktika | Seitenanfang