Etwas mulmig ist unserem kleinen Expeditionskorps schon, als wir am Mittwoch, dem 07.07., abends vom Auricher Landtagsabgeordneten Wolfgang Ontijd verabschiedet werden. 10.000 Kilometer mit Flugzeug, Bus und Bahn liegen vor uns, davon allein 8.000 mit der Transsibirischen Eisenbahn. Am Ende unserer Reise werden wir in Forschungscamps der Staatsuniversität Jakutsk bei aktuellen Forschungen zur Mammutsteppe und dem sibirischen Urmenschen mitarbeiten.
Immerhin erhielten wir Gastgeschenke vom niedersächsischen Kultusminister Busemann – dem Schirmherren dieser Expedition – für unsere Kooperationspartner im fernen Jakutien. Als wir dann gegen 23:00 Uhr Aurich im Bus verlassen, dachten wir oft an unsere Mitschüler, für die heute die erholsamen Sommerferien begannen.
Es hilft nichts – wir haben uns ja freiwillig für diese siebenwöchige Expedition gemeldet, um wissenschaftliche Forschung in Ost-Sibirien hautnah mitzuerleben.
Nach drei Stunden Fahrt erreichen wir den Flughafen Düsseldorf und geben unsere zwei Alukisten mit Stromgenerator, Werkzeug und Laptops als Sondergepäck auf. Und schon gibt es die ersten Probleme: Ein Werkzeugset in Herrn Strackes Handgepäck, ein Gastgeschenk des Kultusministers Busemann für die Uni Jakutsk, wird als „gefährliche Waffe" eingestuft.
Um 11:00 Uhr landen wir in Moskau. Nach einer kurzen Passkontrolle folgt erst einmal eine eindrucksvolle Fahrt durch die chaotisch anmutende Stadt – selbstredend ohne Sicherheitsgurt. Hier ist einiges anders: Am Rande der Schnellstraße werden Erdbeeren aus dem eigenen Garten angeboten, in den Vorstadtsiedlungen reihen sich Bauruinen und heruntergekommene Plattenbauten an moderne Neubauten und restaurierte Kirchen. Daran lässt sich übrigens der wieder erwachende Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche erkennen.
Je näher wir dem Ausgangsbahnhof der Transsibirischen Eisenbahn in Moskau kommen, desto stärker und chaotischer wird der Verkehr- und der Smog nimmt zu. Die Fahrt durch einen 2,9 km langen Tunnel wird in den Abgasen nahezu unerträglich.
Am Bahnhof erwartet uns schon der „Sibirjak“, ein Star unter den Zügen der Transsibirischen Eisenbahn. In nur zwei Tagen soll er uns nach Nowosibirsk bringen. Hier sind wir richtig, denn als „Sibirjak“ bezeichnen die Russen auch Menschen, die aus Sibirien stammen.
Wir sind sehr überrascht von der Sauberkeit und dem Komfort im Zug. Die Vier-Bett-Abteile sind zwar eng, aber gut durchdacht und so kann man es sich selbst zu viert mit Gepäck einigermaßen einrichten.
Die Aussicht ist beeindruckend, wird jedoch leider durch ziemlich breite blaue Vorhänge eingeschränkt. Entlang der Bahnstrecke rauschen Birkenwälder, Flussauen und kleine pittoreske Dörfer vorbei, die hauptsächlich aus Holzhäusern bestehen. An fast jedes schließt sich ein kleiner Garten zum Kartoffelanbau an.
In jedem Transsib-Wagen liefert ein Samowar rund um die Uhr heißes Wasser. Ein nützlicher Komfort, der die Zubereitung von Tee, Kaffee oder den obligatorischen Fertiggerichten erheblich erleichtert.
Über Nishny Nowgorod, Perm, den Ural, Jekaterinburg und Omsk gelangen wir innerhalb von zwei Tagen nach Nowosibirsk. Die Landschaft bis zum Ural ist hügelig und voller Birkenwälder. Was uns erstaunt: Der Übergang von Europa nach Asien nicht erkennbar war. Instinktiv hatten wir ein hohes Gebirge oder wenigstens eine kulturelle Grenze erwartet. Stattdessen nur schnöde Hügel. Der Rest der Strecke zieht sich durch die Westsibirische Tiefebene, einer Waldsteppe.
Wie viel Annehmlichkeiten uns der „Sibirjak" bot, sollte uns erst später so richtig klar werden, wenn wir schmerzlich seine Klimaanlage, seine Bordverpflegung und die sauberen Toiletten (mit Papier!) vermissen.
In Nowosibirsk müssen wir umsteigen. Wir nutzen den mehrstündigen Aufenthalt für einen Stadtbummel. Auf dem Bahnhof verläuft eine breite Straße mit ausgedehnten Bürgersteigen – früher diente sie für Militärparaden. Diese sozialistische Stadtanlage kannten wir bisher nur aus dem Lehrbuch. Eindrucksvoll, dies einmal in der Realität sehen zu können.
Doch auch vor Nowosibirsk hat die Globalisierung nicht Halt gemacht: allerorten sind noble Designerläden und Computershops zu finden, die jeder westeuropäischen Großstadt ebenbürtig sind. Und auch vom Outfit her haben sich die Einwohner den europäischen Standards angepasst.